Bauen mit Stroh: Ökologische Bauweise mit viel Potential

Strohballen werden zunehmend als hochwertiger Öko-Baustoff wiederentdeckt und erfreuen sich wachsender Beliebtheit – nicht nur bei Anhängern traditioneller Strohhaus-Architektur. Sind Strohabfälle die Wärmedämmung der Zukunft?

Traditionelle zeltförmige Strohdächer auf runden Steinbauten in Lugo, Spanien. (Foto von Pedreda)
Traditionelle zeltförmige Strohdächer auf runden Steinbauten in Lugo, Spanien. (Foto von Pedreda)

Normierte und bauphysikalisch geprüfte Strohballen sind auch als Dämmung für Passivhäuser geeignet 

Strohballen mausern sich langsam zu einem ganz normalen Dämmstoff mit allen üblichen Einsatzmöglichkeiten. Für traditionell verputzte Strohhäuser ist die buckelige, unebene Oberfläche charakteristisch, die sich ergibt, wenn unregelmäßige Strohballen direkt vom Bauern bezogen werden. Inzwischen gibt es jedoch auch normierte und bauphysikalisch geprüfte Ballen am Markt, die sogar für „Passivhäuser“ geeignet sind, also exzellente Wärmedämmwerte aufweisen. Bereits 1999 startete in Österreich die erste Ausschreibung der Programmlinie „Haus der Zukunft“, um zukunftsweisende Forschungsprojekte zu unterstützen. Basierend auf diesen Forschungsarbeiten entstand das sogenannte „S-House“, ein Demonstrationsgebäude aus Stroh mit einem Jahresenergieverbrauch von nur 6 Kilowattstunden pro Quadratmeter. (Zum Vergleich: in konventionell gebauten Häusern gilt ein Verbrauch von 100 kWh/m2.a als normal. Bei einem Verbrauch von unter 15 kWh/m2.a spricht man von einem „Passivhaus“.) Inzwischen sind bereits erste Fertigteil-Systemhäuser mit  Strohdämmung im Handel.

Kleine Strohballen eignen sich wunderbar als Selbstbau-Material. (Foto: iphilipp)
Kleine Strohballen eignen sich wunderbar als Selbstbau-Material. (Foto: iphilipp)

Kleine und große Strohballen als Heimwerkermaterial,  versteckt in Holzständerwänden und aufgetürmt zu mehrgeschoßigen Gebäuden 

Strohballen lassen sich geradezu „konventionell“ in Holzständerwände einbauen wie jeder andere Dämmstoff auch, entweder direkt auf der Baustelle oder witterungsabhängig in den Werkhallen des Zimmereibetriebes. Ob man sie außen verputzt, mit Holz oder einem anderen Fassadenmaterial verkleidet, ist Geschmacksache. Darüber hinaus können die Strohballen auch selbsttragend, d.h. ohne zusätzliche Holzrahmen eingesetzt werden, wie es bereits seit 1800 in Amerika und Kanada zuerst für Notunterkünfte praktiziert wurde. Mit dicken Großballen lassen sich sogar mehrgeschoßige Gebäude errichten. Die kleineren Standardballen werden gerne auch für Selbstbau-Häuschen verwendet, weil man sich relativ leicht heben und mit der Kettensäge zuschneiden kann. Wenn Passivhausstandard erreicht werden soll, empfiehlt es sich, auf der Außenseite eine winddichte, aber diffusionsoffene  Schichte anzubringen. Dadurch wird die Wirkung der Wärmedämmung entscheidend verbessert. Strohballen sind nicht tauwasseranfällig, wenn die Gesamtkonstruktion wasserdampfdurchlässig ist. Auch die Gefahr, dass sich Tiere einnisten, ist nicht größer als bei Polystyrol. Loses Stroh ist sehr leicht entflammbar, die dicht gepressten Ballen jedoch werden als „normal brennbar“ eingestuft und dürfen daher im Einfamilienhausbau eingesetzt werden.

Mit Strohballen sind auch mehrgeschoßige Gebäude möglich, in Nantwich wurde sogar ein freihstehender Uhrturm namens  „Little Straw Ben“ realisiert. (Foto: Paolo Camera)
Mit Strohballen sind auch mehrgeschoßige Gebäude möglich, in Nantwich wurde sogar ein freihstehender Uhrturm namens „Little Straw Ben“ realisiert. (Foto: Paolo Camera)

Die Herstellung von normiertem Baustroh ist auf bestimmte Regionen konzentriert 

Stroh ist der einzige Dämmstoff, der völlig unbehandelt verwendet werden kann. Schon jetzt können Strohballendämmungen preislich mit jeder anderen Dämmung mithalten, obwohl der Einbau noch relativ teuer ist, einfach aus dem Grund, weil das Material noch nicht in jeder Zimmerei verfügbar ist und die Handwerker noch nicht routiniert genug sind. Dies wird sich aber vermutlich ändern, denn immer mehr Holzbaufirmen nehmen Strohballendämmungen in ihr Programm auf. Man muss sich als Konsument/in die Ballen nicht mehr selbst organisieren, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war, sondern kann unter verschiedenen Anbietern auswählen. Leider gelten Strohverarbeitungsmaschinen, die quadratische Ballen erzeugen, inzwischen als veraltert, man sieht fast überall nur noch die viel größeren runden Ballen, die für den Bau nicht geeignet sind. Man wird also sehen, wie sich die Strohverarbeitung in Zukunft entwickelt. Wenn die Ballen weit transportiert werden müssen, wird sich das vermutlich auf den Preis auswirken, es sei denn die Nachfrage entwickelt sich entsprechend und man kann die Ballen dann in jedem Baumarkt erwerben. Ursrpünglich waren die Ballen ja ein Nebenprodukt aus der Landwirtschaft und die Verwendung als Baustoff war eigentlich zweckentfremdet. Idealerweise sollte das Stroh direkt aus der Region geliefert werden können. Aber auch eine “agrar-industrielle“ Produktion und großflächige Vermarktung wäre wünschenswert.

Stroh hat eine Bedeutung als Naturheilmittel in Form von Strohbetten, Strohbädern, Strohwickel und als Abschirmmaterial gegen Erdstrahlen. (Foto: princedd)
Stroh hat eine Bedeutung als Naturheilmittel in Form von Strohbetten, Strohbädern, Strohwickel und als Abschirmmaterial gegen Erdstrahlen. (Foto: princedd)

Stroh als traditionelle Medizin zur radiästhetischen Abschirmung und als vitalisierendes Naturheilmittel

Aus geomantischer Sicht punktet Stroh durch seine absolut natürliche Struktur. Es wird von Radiästheten zur Abschirmung von Erdstrahlen empfohlen und sogar als Einlage in Matratzen angeboten. Zusammengepresste Strohballen sollen nicht dieselbe gute Wirkung entfalten wie lose eingestreutes Stroh. Grundsätzlich haben alle porösen und lockeren Dämmstoffe eine gewisse abschirmende Wirkung, Stroh hat zusätzlich eine sehr vitale Eigen-Ausstrahlung, die wesentlich besser ist als Altpapierflocken, Weichfaserplatten oder andere ökologische Dämmungen, deren ursprüngliche Struktur zerstört worden ist. An der konvexen Außenhülle der einzelnen Strohröhren können linear ausgerichtete Energien wirksam zerstreut werden. Diese Abweichung vom rechten Winkel kann allerdings ein Problem sein, wenn man perfekt lotrechte und planebene Wände möchte, denn mit normalen Putzstärken lassen sich die natürlichen Unebenheiten nicht ausgleichen.  Haferstroh ist zugleich ein Naturheilmittel, das in verschiedenen Formen angewendet werden kann, als vitalisierendes Heubad, als Wickel oder als Umschlag mit Strohabsud. Es werden ihm blutreinigende, nährende, aufbauende, kräftigende, stabilisierende, erweichende und zerteilende Eigenschaften nachgesagt. Auch Hildegard von Bingen propagierte Haferstroh als Heilmittel und es wird heute noch von vielen Naturheilkundigen eingesetzt, um Erschöpfung, Nervosität und Schlaflosigkeit, Gicht, Rheuma, Steinleiden und Unterleibsbeschwerden zu lindern.

Optisch sehen die großen runden Strohballen wie Landart-Skulpturen aus, als Baustoff sind jedoch nur die rechteckigen Ballen gefragt, die in der Landwirtschaft kaum noch verwendet werden. (Foto: Jana Hst)
Optisch sehen die großen runden Strohballen wie Landart-Skulpturen aus, als Baustoff sind jedoch nur die rechteckigen Ballen gefragt, die in der Landwirtschaft kaum noch verwendet werden. (Foto: Jana Hst)

Neues Bauen mit Stroh – neue architektonische Möglichkeiten  

Was die Architektur betrifft, so ist hier die Kreativität gefordert. Das Material führt ein starkes Eigenleben und lässt sich nicht auf dem Millimeter genau planen. Meist versucht man es durch Holzverschalungen in Form zu halten, es ist aber auch für freie und organische Formen sehr gut geeignet. Wie wir von alten Strohdächern und Strohhütten wissen, geht es auch ohne Verputz, wenn das Wasser ungehindert abfließen kann. Man könnte also auch bei modernen Häusern schräge Wandflächen zur Gänze mit Stroh verkleiden. Auch kuppel- und zeltartige Formen sind naheliegend. Das Material ließe sich gut für Bauhütten, Almhütten und Ferienhäuser einsetzen. Natürlich auch für Tierställe, Gartenhäuser, Kinderhäuser und Wellnessanlagen. Zunächst ist mal wichtig, dass man sich dieses neuen alten Baustoffes und seiner Möglichkeiten stärker besinnt, um ihn als Alternative in Betracht zu ziehen und neben den herkömmlichen Dämmstoffen mit anbieten zu lassen. Derzeit floriert der Strohhausbau nur in Gegenden, wo auch entsprechende Lieferanten vorhanden sind. Die Lieferung über die regionalen Grenzen hinweg rentiert sich noch nicht. Die Firma „BauStroh Limited Dirk Scharmer“ in Niedersachsen meldet derzeit auf ihrer Homepage, dass sich das Erzeugernetz im Aufbau befindet und eine bundesweite Verfügbarkeit noch nicht gegeben ist. Auch in Österreich konzentriert sich die Strohbauszene auf Niederösterreich, in allen anderen Bundesländern ist das Angebot vergleichsweise bescheiden. Immerhin gibt es bereits Strohballenworkshops und andere Veranstaltungen für Stohballenbauer und -zimmerer, die vom „asbn“ (austrian strawhale network) organisiert werden. Es bleibt eine spannende Frage, wie sich dieses Nischenprodukt behaupten und weiterentwickeln sind, denn gleichzeitig ziehen auch die Hersteller von künstlichen Dämmstoffen alle Register, um technisch und preislich die Nase vorn zu haben.

Weiterführende Links:

http://www.agrarplus.at/projekte.nawaro.referenzen.strohkompakt.php?lang=de

http://www.baustroh.de/#8

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Über Irmgard Brottrager 833 Artikel
Irmgard Brottrager ist Dipl.Ing. für Architektur und Innenarchitektur. Sie beschäftigt sich vorzugsweise mit Themen, die mit dem Menschen und seinem Umfeld zu tun haben. Irmgard erreicht ihr unter i.brottrager@everyday-feng-shui.de

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