Masdar City emissionsfrei: Neue Wege der Architektur

In Abu Dhabi entsteht gerade ein vermeintliches Wunder: Die erste Nullemissionsstadt der Welt, Masdar City. Der planerische Entwurf des Stadtprojekts stammt von niemand geringerem als Sir Norman Foster. In diesem Beitrag erfahrt ihr, wie der britische Stararchitekt durch die Kombination von Altem und Neuem zu neuer gestalterischer Harmonie findet.

Masdar Hotel-Entwurf der deutsch-australischen Architektengruppe Laboratory for Visionary Architecture, LAVA
Masdar Hotel-Entwurf der deutsch-australischen Architektengruppe Laboratory for Visionary Architecture, LAVA (Foto: LAVA)

Die Ölscheiche der Vereinigten Arabischen Emirate stehen nicht gerade für Bescheidenheit. Ein gutes Jahr ist es erst her, als mit der Einweihung des Burj Khalifa (vorher Burj Dubai) ein weiterer kaum jemals zu überbietender Rekord aufgestellt wurde:

Die Errichtung des höchsten Gebäudes der Welt. Ein Koloss aus Stahl und Glas mitten in der Wüste, der sowohl unter ökologischen als auch ökonomischen Gesichtspunkten ein Milliardengrab darstellt, das seinesgleichen sucht. Unsere Meinung zu dieser Absurdität der Menschheitsgeschichte kennt ihr bereits. Umso mehr überrascht es uns, dass die Scheiche auch anders können.

Was kostet der Abschied vom Öl?

Im Nachbar-Emirat Abu Dhabi, in dem täglich 160 Millionen Dollar aus Ölquellen sprudeln, ist man nicht nur rekordhungrig, sondern sogar süchtig. Und zwar nach Wundern. Obwohl das Volk des Emirats noch viele Jahrzehnte höchst angenehm von den enormen Fördermengen leben könnte, plant man hier mit „Masdar“ den Abschied vom Öl, was in dieser Region, in der ein Liter Benzin kaum mehr als 40 Cent kostet, einem Wunder gleich käme. Masdar City ist ein ökologisches Stadtbauprojekt für 47.500 Menschen, das vollständig auf erneuerbaren Energiequellen beruht. Masdar soll somit zur ersten „Nullemissionsstadt“ der Welt werden.

Innenhof vom Masdar Institute of Science and Technology
Innenhof vom Masdar Institute of Science and Technology (Foto: www.fosterandpartners.com)

Und das lassen sich die Scheiche etwas kosten. 22 Milliarden Dollar sollen bis zur Fertigstellung im Jahre 2025 in Masdar investiert werden. Zugegeben, das ist eine relativ bescheidene Summe, wenn man bedenkt, dass ein Vielfaches der Summe nach wie vor in den Ausbau breiter Straßen und den Bau von Atomkraftwerken fließt. Aber es ist immerhin ein Anfang, der hoffnungsfroh stimmt. Insbesondere auch deshalb, weil die Planstadt das Masdar Institute of Science and Technology beherbergen soll, der ersten Hochschule der Welt, die sich ausschließlich mit Themen rund um ökologische Nachhaltigkeit auf Basis erneuerbarer Energien widmet.

Die ersten Gebäude der Hochschule wurden bereits bezogen. Laut ZEIT Online haben sich bereits 170 postgraduierte eingeschrieben und versuchen nun den drohenden Klimakollaps mit neuen Erfindungen zu verhindern. Für ihr Studium zahlen die Studenten übrigens keinen Cent. Was auf den ersten Blick wie selbstloses Gutmenschentum der Scheiche aussieht, folgt bei näherer Betrachtung unverhohlen ökonomischen Interessen. Masdar wurde vom „Staat“ als eine Art Unternehmen gegründet, das mit eigenen Erfindungen und Patenten Geld verdienen soll. Der Retortenstadt liegt im Gegensatz zu anderen Stadtgründungen der Moderne also keine Sozialutopie zugrunde.

Masdar City als riesiges Experiment

Gleichzeitig ist Masdar aber auch ein riesiges Experiment, dessen Probanden die Studenten und ersten Stadtbewohner selbst sind. So kommt zum Beispiel erstmalig in urbaner Größenordnung ein intelligentes Stromnetz, das so genannte „smart grid“ zum Einsatz. Damit ist es nicht nur möglich zu ermitteln, wie viel Energie jeder Haushalt beispielsweise über Solarzellen auf dem Dach in das örtliche Netz einspeist, sondern auch, wie hoch der Stromverbrauch an jeder einzelnen Steckdose im jeweiligen Haushalt ist. Ziel dabei ist es, mehr Transparenz in die Stromabrechnung zu bringen und Menschen dazu anzuregen, bewusster mit ihrem Energieverbrauch umzugehen. Die in Deutschland üblichen jährlichen Kostenaufstellungen mit monatlich pauschalen Abschlagszahlungen muten im Vergleich dazu geradezu vorsintflutlich an.

Geöffnete Sonnenschirme und Solarzellen: Blick auf den Masdar Platz aus der Vogelperspektive Geöffnete Sonnenschirme und Solarzellen: Blick auf den Masdar Platz aus der Vogelperspektive (Foto: LAVA)

Als ebenso neuartig wie richtungsweisend gilt die Architektur von Masdar City. Vermutlich hatten sich die Scheiche etwas anderes vorgestellt, als sie den britischen Stararchitekten Sir Norman Foster mit der Planung der Stadt beauftragten. Foster lieferte den Emiratis, anders als der Londoner Architekt Eric Kuhne mit den Mohammed Bin Rashid Gardens, keine spektakuläre Utopie mit Gebäuden aus Glas und Stahl, sondern beschritt mit seinem Entwurf einen so genannten „dritten Weg“.

Schattige Gässchen in Masdar Citiy, Orte die zum Verweilen einladen
Schattige Gässchen in Masdar Citiy, Orte die zum Verweilen einladen (Foto: www.fosterandpartners.com)

Dafür studierte er mit seinen Mitarbeitern, wie die Menschen im Nahen Osten in Zeiten vor der Vollklimatisierung ihrer Wohnhäuser gelebt und ihre Räumlichkeiten gekühlt haben. Er schaute genau auf die Tricks der Verschattung und studierte, welche Belüftungstechniken in früheren Zeiten angewandt wurden. In seinen Entwürfen reduzierten Foster und Kollegen die Gebäudehöhen und Fenstergrößen, verengten die Straßen fast schluchtartig und errichteten einen Windturm, der wie ein Schornstein die warme Luft aus den Gassen herausziehen soll. Dabei sparten sie keinesfalls mit neuesten Baumaterialien. Bürohäuser aus Glas wie in der Innenstadt Abu Dhabis sind jedoch nirgend zu sehen.

Mit seinen Plänen gelang Foster auf wundersame Weise etwas, das wir in unserem Beitrag Feng Shui als Ausweg aus der Krise der Architektur so sehr bemängelt haben, weil es modernen Innenstädten auf der ganzen Welt heutzutage fehlt: Eine Architektur, die sich bei aller formalen Vielfalt doch zu einer gestalterischen Einheit schließt. Eine Architektur, bei der sich ein Besucher eingeladen fühlt, ja geradezu dazu verführt wird, die Straßen und Gassen zu durchwandern oder an den vielen kleine Wasserspielen, den Kolonaden, auf den Bänken und kleinen Plätzen zu verweilen. Wohlfühlarchitektur, die den Menschen und seine Bedürfnisse vor Ort als Maßstab nimmt, nicht das technisch Machbare.

www.everyday-feng-shui.de

Video: Masdar, die erste Öko-City der Welt

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Über Long Wang 326 Artikel
Meister Long Wang ist seit 2007 Teil des Everyday Feng Shui Redaktionsteams und bereichert seither als Experte für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit seiner fernöstlichen Perspektive auf die Welt unsere Plattform. Zu erreichen ist er unter l.wang@everyday-feng-shui.de

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