Hans-Henning Raven: Gegen den Abmahnwahn im Internet

Im Juli 2010 wurde Everyday Feng Shui von einer Anwaltskanzlei aus München wegen der Verwendung eines aus 12 Worten bestehenden urheberrechtlich geschützten Spruches von Karl Valentin abgemahnt. Aufgrund der drohenden Strafe in Höhe von 10.000 Euro waren wir damals kurz davor unsere Plattform aufzugeben. Doch dann entschieden wir uns zu kämpfen.

Unser aktuelles Statement zum Thema Urheberrechtsverletzungen durch die Verwendung von Zitaten im Internet - jetzt zu sehen bei NTV Unser aktuelles Statement zum Thema Urheberrechtsverletzungen durch die Verwendung von Zitaten im Internet – jetzt zu sehen bei NTV

Was ist seit diesem Vorfall vor zwei Jahren passiert? Zunächst einmal haben wir uns seinerzeit einen Rechtsanwalt genommen, der sich mit Medien- und Urheberrecht auskennt. Mit dessen Hilfe konnten wir die ursprüngliche Forderung der Gegenseite deutlich reduzieren. Am Ende waren es aber immer noch mehrere Hundert Euro, die wir an die Münchner Anwälte zahlen mussten (wir berichteten) und die Einsicht, dass man ohne einen Rechtsstreit einzugehen, aus solch einer Sache nicht ohne Kosten herauskommt. Doch wer geht schon gerne das Risiko eines Rechtsstreits ein, wenn die Chancen schlecht stehen, diesen Streit zu gewinnen und man am Ende womöglich auf noch viel höheren Kosten sitzen bleibt!?

Wir haben das Risiko damals gescheut – zum Glück, wie sich heute zeigt, denn der Fall ist inzwischen von einem anderen „Abmahnopfer“ ausgefochten und zu Ungunsten des Betroffenen entschieden worden. Der betreffende Karl Valentin Spruch, den wir an dieser Stelle nicht wiederholen möchten, gilt nun auch „offiziell“ als eigenständiges künstlerisches Werk und ist somit urheberrechtlich geschützt. Die Erben von Karl Valentin haben somit noch bis zum 13.11.2018 das Recht, ihre Ansprüche geltend zu machen. Erst dann, mit dem 70. Todestag Valentins, erlischt der Urheberschutz.

Über die Unverhältnismäßigkeit der entstehenden Kosten

Was uns an dieser Geschichte ganz besonders aufregt, ist die Unverhältnismäßigkeit der Gesamtkosten für Rechtsanwaltshonorare sowie der Aufwand für die Abwendung von ungerechtfertigt hohen Forderungen der Gegenseite im Vergleich zum tatsächlich entstandenen Schaden. Da das Zitat auf einer Unterseite unseres Webauftritts eingebunden war, hatten es laut unserer Serverstatistik über den gesamten Zeitraum nicht einmal 100 Leute aufgerufen. Rechtfertigt das einen Streitwert von 10.000 Euro? Unsere Plattform mit sämtlichen Inhalten, die wir in dreijähriger Arbeit aufgebaut haben, hätten wir nicht einmal für die Hälfte dieser Summe losbekommen, wären wir zum damaligen Zeitpunkt auf entsprechende Angebote eingegangen Everyday Feng Shui zu verkaufen.

Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber Frau Anneliese Kühn - Angebot der Gegenseite Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber Frau Anneliese Kühn – Angebot der Gegenseite

Diese gefühlte Ungerechtigkeit hat uns schließlich dazu bewogen, uns vehement für eine Änderung des aktuell bestehenden Urheberrechts in Deutschland einzusetzen. Wir wollen das Urheberrecht nicht abschaffen – wohlgemerkt – sondern ändern! Beispielsweise treten wir für eine Verkürzung der Fristen bei Publikationen im Internet ein. 10 Jahre Schutzrecht sind heutzutage genügend Zeit, um künstlerische Leistungen digital zu vermarkten. Danach sollte es für auf Abmahnungen spezialisierte Anwaltskanzleien nicht mehr möglich sein, Bagatell-Verstöße (zu denen wir auch unseren Fall rechnen würden) zu ahnden.

Und was es auch noch unbedingt geben muss, ist eine „Fair-Use-Regelung“ für quasi kommerzielle Anbieter (wie unsere Plattform). D.h. wenn ein Spruch eindeutig als Zitat gekennzeichnet ist, sogar der Urheber genannt und verlinkt wurde (wie in unserem Fall), dann sollte solch ein Zitat auch alleine für sich stehen können, wenn es im Gesamtkontext der Webseite einen eigenen (künstlerischen) Mehrwert darstellt, der über die reine Vermarktung von eigenen Produkten und Dienstleistungen bzw. des jeweiligen Zitates an sich hinausgeht. Everyday Feng Shui besteht zu 99 Prozent aus individuell angefertigten und qualitativ hochwertigen Inhalten. Uns also in einen Topf mit einer der vielen Zitatensammlungen im Internet zu werfen, die fast ausschließlich aus fremden Inhalten bestehen, halten wir schlicht und ergreifend für ungerecht.

Da wir mit dieser Ansicht und unseren Forderungen nicht alleine stehen, haben wir uns durch Statements z.B. bei ZDF WISO oder NTV (siehe oben) dafür eingesetzt, unseren Fall einem möglichst großen Publikum bekannt zu machen. Ziel ist es dabei einerseits, bei jedem Webseitenbetreiber das Bewusstsein dafür zu schärfen, was im Internet bei der Verwendung von Zitaten zu beachten ist, um Abmahnanwälten den Nährboden für ihr Geschäftsmodell zu entziehen. Andererseits wollen wir aber auch unseren Beitrag zur aktuellen politischen Debatte zum Thema Urheberrecht leisten, indem wir das Geschäftsgebaren von auf Abmahnungen spezialisierten Anwaltskanzleien transparent machen. Leider sind die öffentlich rechtlichen Medien noch nicht so weit, sich dieser Debatte konsequent zu stellen. Kritische Kommentare zum Thema Urheberrecht von uns wurden im ZDF WISO-Beitrag einfach herausgeschnitten.

Uns würde natürlich eure Meinung dazu interessieren. Seid ihr schon einmal von einer Abmahnung betroffen gewesen? Wie habt ihr reagiert und was ist eure Einstellung zur Forderung, endlich das Urheberrecht zu ändern und auf das heutige Medienverhalten anzupassen?

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Über Astrid Albrecht-Sierleja 152 Artikel
Astrid Albrecht-Sierleja verfügt als langjährige Malerin und Lackiererin über ausgesprochen praxisorientiertes Wissen und kennt als Produkt-Designerin die Vielfalt gestalterischer Möglichkeiten im Wohn- und Arbeitsbereich. Astrid erreicht ihr unter a.albrecht@everyday-feng-shui.de

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