Baumhäuser für die Stadt

Im Grünen und dennoch mitten in der Stadt wohnen – geht das? Der Architekt Luciano Pia hat sich an diesem Spagat versucht. Das Ergebnis ist ein verwunschen-verwachsener Wohnkomplex in einem ehemaligen Industriegebiet von Turin.

25 Verde in Turin: Modernes Baumhaus mitten in der Stadt
25 Verde in Turin: Modernes Baumhaus mitten in der Stadt (Foto: hillman54 / Flickr)

Das Projekt mit dem schlichten Titel „25 Verde“ wurde bereits 2012/2013 fertiggestellt. Allerdings wächst es seitdem weiter und verändert sein Gesicht. Denn Bäume und Sträucher sind ein wesentlicher Teil des eigenwilligen Gebäudekomplexes.

Baumstämme aus Stahl

Überall ist hier das Grün mit der Architektur verwoben: Pflanzen wachsen am und auf dem Gebäude, insgesamt sind es mehr als 150 Bäume. Und sie sind sogar Teil der Konstruktion. Das ganze Haus wird nämlich von großen Baumstämmen getragen und erinnert so an ein überdimensionales Baumhaus. Allerdings sind die tragenden, starken Stämme aus Stahl gefertigt.

Auf drei Etagen bietet das Haus 63 Wohnungen Platz. Die meisten davon haben zwei Balkone: Einer ist nach außen zur tristen Straßenwelt gewandt, der andere zum grünen Innenhofbereich. Hier wächst und verändert sich alles, auch drei Jahre nach Fertigstellung des Projekts.

Gewollter Wandel

Dieses Wachsen und der damit verbundene Wandel ist gewollt, aber kaum planbar. So ist heute nur zu ahnen, wie das Haus in zehn Jahren aussehen wird. Die mehr als eine Million Lärchenholzschindeln an der Fassade werden im Laufe der Zeit unter Einfluss der Witterung ihre Farbe verändern. Gleiches gilt für die Holzbalkone. Bäume und Sträucher werden wachsen, sodass künftig große Teile der Fassade gar nicht mehr zu sehen sein werden.

In diesen Tagen wurde Architekt Luciano Pia für „25 Verde“ in München mit dem Architekturpreis Iconic Award ausgezeichnet. Der Iconic Award versteht sich als neutraler, internationaler Architektur- und Designwettbewerb. Besonders berücksichtigt wird das Zusammenspiel der Disziplinen. Ausgezeichnet werden „visionäre Architektur, innovative Produkte und nachhaltige Kommunikation“, wobei der Fokus auf der „ganzheitlichen und konsistenten Inszenierung von Produkten in der Baukunst“ liegt.

Ohne Natur geht es nicht

Mensch hier und Natur dort – dieses Prinzip, das unsere Städte beherrscht, möchte „25 Verde“ auflösen. Der Wohnkomplex wurde nicht einfach begrünt. Er besteht vielmehr zum großen Teil aus Natur. So bringt er die Menschen und die Natur zusammen. Vielleicht kann dieses Projekt ein Modell sein für die künftige städtische Gestaltung. Denn dass der Mensch nicht ohne die Natur auskommen kann, dürfte in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geworden sein. Gleichzeitig wächst in den Städten das Bedürfnis nach Grünraum und natürlichen Flächen.

Der Mensch ist ein Teil der Natur. Ziel der Architektur muss es also sein, einen ständigen Austausch mit unserer natürlichen Umwelt zu ermöglichen
Der Mensch ist ein Teil der Natur. Ziel der Architektur muss es also sein, einen ständigen Austausch mit unserer natürlichen Umwelt zu ermöglichen (Foto: Marina del Castell)

Pflanzen haben eine wichtige Funktion für das Mikroklima in Städten. Sie reinigen die Luft, produzieren Sauerstoff, mindern Lärm und spenden im Sommer Schatten. Der Deutsche Städtetag empfiehlt daher grüne Fassaden und Dächer, und die Stiftung „Die grüne Stadt“ setzt sich ihrem Namen entsprechend für mehr urbanes Grün ein. In hiesigen Innenstädten sind allerdings grüne Fassaden und Dächer oder andere grüne Elemente an den Gebäuden noch äußerst selten. Hier bleibt es derzeit meistens bei der strikten Trennung zwischen Mensch und Natur, zwischen Beton und Grün.

Wenn es also eine Architektur schafft, diese Trennung aufzuheben, kann das nur positiv sein. Das Leben in der Stadt bekäme eine ganz andere Qualität, gäbe es reihenweise diese riesigen Baumhäuser wie „25 Verde“ oder jedenfalls mehr Zusammenspiel von Natur und Bauwerk.

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Über Astrid Albrecht-Sierleja 152 Artikel
Astrid Albrecht-Sierleja verfügt als langjährige Malerin und Lackiererin über ausgesprochen praxisorientiertes Wissen und kennt als Produkt-Designerin die Vielfalt gestalterischer Möglichkeiten im Wohn- und Arbeitsbereich. Astrid erreicht ihr unter a.albrecht@everyday-feng-shui.de

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