Feng Shui: Wo ist die Gesundheitsecke?

Vor wenigen Wochen hatte ich in einem befreundeten Netzwerk einen kurzen Vortrag über Feng Shui halten dürfen. Im Prinzip gäbe es keinen Anlass deswegen einen Beitrag zu schreiben, doch die Frage einer Teilnehmerin in der Diskussionsrunde machte deutlich, dass die Vorstellung der besonderen „Ecken“ im Feng Shui immer noch herumgeistert. Lesen Sie, warum es nichts bringt, nach den „Ecken“ zu suchen.

Glücksmünzen für die Reichtumsecke. Wen machen sie reich? Foto: CC-0, Public Domain via http://pixabay.com/en/chinese-coins-coins-chinese-money-167824/
Glücksmünzen für die Reichtumsecke. Wen machen sie reich?
Foto: CC-0, Public Domain via http://pixabay.com/en/chinese-coins-coins-chinese-money-167824/

 

Zu Zeiten als Feng Shui noch ein echter Trend war und seinen wahren Boom erlebte (so zwischen den Jahren 2002 bis 2007), wurden die „Ecken“ erfunden. So gab es ständig Tipps, wie man die Reichtumsecke aktiviert oder welche Hilfsmittel für die Partnerschaftsecke geeignet seien. Besonders eifrige Anwender nahmen die Empfehlungen sehr ernst und dekorierten ihre Wohnungen kräftig mit Wasserfallpostern, chinesischen Münzen, Delphinen und merkwürdigen Spiralen. Jede „Ecke“ hat das richtige bekommen. Nur meistens ließen sich das Glück, die Gesundheit oder der Traumprinz einfach nicht blicken.

Gibt es die „Ecken“ tatsächlich?

Das Raster einer Feng Shui Analyse liefert das Bagua. Im klassischen, an den natürlichen Gegebenheiten basierendem Feng Shui, wird das Bagua, den Himmelsrichtungen entsprechend, auf den Grundriss eines Hauses oder einer Wohnung gelegt. Das Raster besteht aus acht Dreiecken, die zusammen ein gleichmäßiges Achteck ergeben. Das Zentrum des Achtecks liegt auf der Mitte des Grundrisses.

Jedes Feld des Baguas entspricht einem Himmelsrichtungsbereich und beinhaltet eine Reihe an Merkmalen, die den jeweiligen Himmelsrichtungsbereich charakterisieren. Sie resultieren aus den Trigrammen. Die Trigramme sind den Himmelsrichtung nach dem Prinzip des Lo Shu zugeordnet. Ein Trigramm hat seine Entsprechungen u.a. in Wandlungsphasen, Lebensthemen, Rollen und Positionen im Leben, Stimmungen, Handlungsweisen etc. Je nach Methode wird die Interaktion zwischen den Trigrammen, den Räumen und den Bewohnern nach bestimmten Kriterien untersucht. Die Untersuchung liefert Erkenntnisse, die die gezielte Optimierung der Bereiche mithilfe gestalterischer Mittel ermöglichen. Günstige Qualitäten und Einflüsse werden unterstützt und/oder gestärkt, nicht so günstige dagegen geschwächt und/oder kontrolliert. So entsteht eine individuelle Empfehlung zur Gestaltung aller Räume. Die Umsetzung erfolgt mit Farben, Formen und Materialien, sowie mit Dekorationsgegenständen, die zwar eine symbolische Bedeutung haben können aber nicht müssen. Am Ende soll ein ansprechendes und ästhetisches Wohnambiente entstehen, dass zur Stilrichtung der Bewohner passt, ihrem Geldbeutel entspricht und alle Funktionalitäten des Wohnens erfüllt. Nur eins darf das Ambiente nicht haben: sichtbare Spuren des Feng Shui in Form von fremd anmutenden Deko-Gegenständen.

Warum ist die Idee der „Ecken“ entstanden?

Wie sie anhand der kurzen Beschreibung der klassischen Vorgehensweise im Feng Shui merken, ist das Ganze nicht so einfach. Für die Anwendung braucht man viel Feng Shui Wissen, aber auch das gestalterische Können.

Das ist ähnlich wie beim Kochen. Um ein leckeres und gesundes Essen zuzubereiten, müssen Sie sich mit den einzelnen Rohstoffen (Nahrungsmittel) auskennen, das Kochen beherrschen und sich genug Zeit nehmen. Für alle, denen das zu viel ist, hat man Fast Food erfunden: schnell, einfach aber auf die Dauer ungesund.

So erfand man auch eine Feng Shui Methode, die auf natürliche Gegebenheiten verzichtet und dafür vorgefertigte „Produkte“ (Lösungen) für alle Angelegenheiten liefert. Der Kompass wird dabei überflüssig, weil sich die Betrachtung der Räume nicht an der Natur, sondern lediglich an den baulichen Gegebenheiten, nämlich der Lage der Eingangstür, orientiert. Ein Achteck wäre auch zu kompliziert zu zeichnen, also teilt man den Grundriss in acht Rechtecke, wobei Unregelmäßigkeiten der Grundrissform einfach abgeschnitten oder großzügig erweitert werden. Hauptsache alles bleibt am Ende möglichst quadratisch, praktisch aber nicht wirklich gut. So entstanden die „Ecken“, nämlich Rechtecke des Grundrisses, den ein Lebensthema zugeordnet wird. Das Lebensthema hat zwar seinen Ursprung in den Trigrammen, doch es wird nur auf seinen symbolischen Charakter reduziert. Ohne zu untersuchen, welche Qualität das jeweilige Rechteck in der Wohnung tatsächlich hat, wird munter mit bestimmten, vordefinierten Hilfsmitteln unterstützt. Und so hieß es zum Beispiel plötzlich : Die Reichtumsecke ist oben links und braucht ein Wasserfallposter. Die Partnerschaftsecke liegt oben rechts und kann mit einem Delphin-Pärchen oder zwei roten Herzen aktiviert werden.

Diese Empfehlungen sind völlig aus der Luft gegriffen und bringen vor allem dem Glück, der das Klimbimzeug verkauft. Doch Sie werden sich wundern, die Wasserfallposter, Spiralen, Drachen, Delphine oder Münzen wirken sogar! Leider nur solange, wie man daran mit großer Überzeugung glaubt und sich stets einredet, das Bestmögliche getan zu haben. Na ja, Fast Food macht auch zuerst satt und viele glauben sogar daran, dass es schmeckt und gar nicht dick macht. Wie lange hält die Überzeugung an?

Zurück zu der Gesundheitsecke…

Die Frage der Teilnehmerin des Vortrags war berechtigt. In den acht Rechtecken sucht man vergeblich nach der Gesundheit. Es gibt die Karriere, das Wissen, die Familie, den Reichtum, die Partnerschaft, die Kinder, die hilfreichen Menschen und die Karriere, aber keine Gesundheit oder Glück. Warum das so ist und warum auch im klassischen Bagua unsere Gesundheit keinen festen Platz hat, das verrate ich Ihnen am nächsten Dienstag. Ich hoffe, Sie schauen wieder vorbei.

Mit runden Grüßen

Hedwig Seipel

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Über Hedwig Seipel 112 Artikel
Hedwig Seipel wandelte 1998 ihr Leben um und machte ihr Hobby - die asiatische Lebensphilosophie - zum Beruf. Nach fundierten Ausbildungen im Feng Shui, Geomantie, Coaching und Training gründete sie eine eigene Praxis. Sie ist Sachbuchautorin, Dozentin, Seminarleiterin und Beraterin.

1 Kommentar

  1. Ein klasse Beitrag Hedwig! Herzlichen Dank dafür – super erklärt! :-) Genau so ist es!

    Herzliche Grüße von unterwegs
    Heike Schauz

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