Die verschiedenen Schulen des Feng Shui

Das vereinfachte Feng Shui nach Lin Yun

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde Feng Shui geheim gehalten. Es wurde grundsätzlich nicht an Ausländer weitergegeben. Erst in den frühen 1980er Jahren entschloss sich der in Amerika lebende Feng Shui Meister Lin Yun auch westliche Schüler aufzunehmen. Er ging aber davon aus, dass diese die komplizierten Methoden des klassischen Feng Shui nicht würden erlernen können und entwickelte eine vereinfachte Version. Dies erzielte er dadurch, indem er die gesamte Kompass-Schule entfernte!

Feng Shui Meister Lin Yun
Feng Shui Meister Lin Yun

Die beabsichtige Vereinfachung ist ihm meisterhaft gelungen. Feng Shui war nun massentauglich geworden. Er unterrichtete Zehntausende von Schülern. Die Lin-Yun-Methode eroberte im Laufe der 1990er Jahre die ganze westliche Welt. Sie wurde in Amerika und Europa zur Standard-Methode. In Asien selber arbeitet kein namhafter Feng Shui Meister damit. Es handelt sich um eine westliche Variante des Feng Shui. Das soll keine Kritik an der Methodik sein. Solange es nützt, ist darin nichts Falsches zu sehen. Zu dieser Schule gibt es bereits eine Fülle von Literatur. Sie betont logischerweise die Formschule und ergänzt diese durch das sogenannte Drei-Türen-Ba-Gua. Da es keine Kompass-Schule mehr gibt, werden die Lebensbereiche (Trigramme) nicht nach den Himmelsrichtungen, sondern nach der Türe ausgerichtet.

Literatur-Tipp: Günther Sator: Feng Shui – Leben und Wohnen in Harmonie.

Volks-Feng-Shui

In Asien war Feng Shui über all die Jahrtausende nur für die mächtige und reiche Oberschicht zugänglich. Das einfache Volk hatte keinen Zugang zu diesem Wissen. Natürlich kursierten sagenhafte Geschichten über die außergewöhnlichen Wirkungen. So kam es dazu, dass sich eine Art Volks-Feng-Shui entwickelte. Es gab gewisse einfache Methoden wie die Bestimmung von Glückstagen mit Hilfe der 28 Mondhäuser und später die Technik der günstigen und ungünstigen Himmelsrichtungen (Ba Zhai), die auch normalen Leuten zur Verfügung standen. Diese wurden in einem Volkskalender, dem Tōng Shèng oder Tōng Shū, jährlich veröffentlicht. Dieser Kalender erscheint auch heute noch jedes Jahr und wird in Hongkong in Zehntausenden von Exemplaren verkauft. Dieses Volks-Feng-Shui hat sich mit Religion, Magie und einer großen Portion Aberglauben vermischt.

Chinesischer Tōng Shū Kalender zur Ermittlung günstiger Daten z.B. für Hochzeiten
Chinesischer Tōng Shū Kalender zur Ermittlung günstiger Daten z.B. für Hochzeiten

 

In dieser Schule gibt es viele Figuren von Heiligen und Göttern, von sagenhaften Wesen, die Glück bringen sollen, es gibt Glücksbäumchen, Reichtumsvasen und eine Unzahl von symbolischen Korrekturen. Hier ein kurzer und unvollständiger Überblick über die verschiedenen Glücks- und Schutzsymbole:

  • Ru Yi: Entspricht unserem Zepter. Bringt Glück und Macht.
  • Wu Lou: Kalebasse. Dient dazu, das Glück zu bewahren.
  • Ju Bao Pen Yuan Bao: Dies sind kleine Goldbarren aus Messing, die als Symbole von Wohlstand verwendet werden. Sie haben die Form, wie sie im alten Kaiserreich als Zahlungsmittel verwendet wurden.
  • Lung Bei Qian: Dies ist eine große Münze mit roter Glückskordel, die ebenfalls als Reichtumssymbol verwendet wird.
  • Shi Dong Wu: Amulett gegen negative Energien.
  • Jing Se Da Xiang: Ein goldener Elefant als Schutz vor Krankheiten.
  • Lung Huang: Eine Metallglocke, um üble Energie zu vertreiben.
  • Cai Shen Ma: Goldene Kröte für Glück und Geld.
  • Tang Jie Tai Sui: Ein Glücksbringer, der jedes Jahr an einen anderen Ort gesetzt wird.
  • Pai Nan Jie Fen: Ein roter Glücksknoten gegen Streit und Gerichtsfälle.
  • Si Bo Zhi: Vier lachende Buddhas als Glücksbringer.
  • Yi Yuan Fu: Ein Liebestalisman.
  • Tao Hua: Ebenfalls ein Liebestalisman.
  • Pi Yao: Schutz und Reichtum.
  • Chi Lin: Glück und Reichtum.
  • Fu Lu Shou: Drei Weise. Fu bringt Glück und Harmonie, Lu bringt Autorität, Macht und Reichtum, Shou bringt Gesundheit und ein langes Leben.

All diese Symbole werden nach genauen Vorschriften im Haus platziert. Einige müssen jedes Jahr an anderen Orten aufgestellt werden. Diese Symbole wirken nur auf der psychologischen Ebene, sie haben keinerlei Einfluss auf das Qi des Hauses. Das heißt nicht, dass sie nun alle unwirksam sind. Nein, das sind sie sicher nicht. Wer daran glaubt, aktiviert starke Kräfte im Unterbewusstsein. Durch den Glauben an diese Symbole werden sie mit menschlicher Energie aufgeladen, was ihre Wirkung erklärt. Der Nachteil ist, dass man die genaue Bedeutung kennen muss, was ein langes Studium in Asien voraussetzt. Letztlich ist es nicht ganz richtig, diese Arbeit mit Symbolen Feng Shui zu nennen. Es sind Maßnahmen, die nur über die menschliche Psyche funktionieren. Sie haben mit einer Beeinflussung des Qi des Hauses nichts zu tun.

Lillian Too
Lillian Too

Diese Schule wurde über Lillian Too auch in Europa recht bekannt. Sie betreibt in Kuala Lumpur einen Laden, in dem alle diese Figuren und Glückssymbole angeboten werden.

Hochrangige Feng Shui Meister in Asien verwenden diese Symbole nicht. Wenn wir die Paläste, Tempel und Gräber aus dem alten China studieren, die mit Feng Shui erbaut wurden, so finden wir zwar Glückssymbole als Malereien auf Wänden und Paravents oder als Gravuren auf Grabplatten, sie dienten aber nur der Dekoration und nicht dem Verändern der Energie. Das Feng Shui liegt in der Ausrichtung des Gebäudes, in der Interaktion mit Landschaftsmerkmalen und in der Verteilung des Qi in den Räumen. Das ist das Feng Shui, das die Meister von früher und heute angewendet haben und anwenden. Auch stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, sich als Europäer so intensiv mit den Symbolen einer fremden Kultur auseinanderzusetzen. Hier wäre es eher sinnvoll, mit Symbolen aus unserem Kulturkreis zu arbeiten. Literatur-Tipp: Lillian Too: Das große Buch Feng Shui (nur noch antiquarisch).

Das klassische Feng Shui

Im klassischen Feng Shui gibt es die Formschule (Xíng Shì Pài) und die Kompass-Schule (Lǐ Qì Pài). Diese Unterteilung ist ein bisschen irreführend, weil auch die Kompass-Schule die Formen der Umgebung immer berücksichtigt. So könnte man sagen, dass die Formschule die Basis für die Kompass-Schule bildet. Die Formschule ist in Asien auch unter dem Namen Luán Tóu bekannt. Luan heißt Bergkette und Tou bedeutet Kopf. Im übertragenen Sinne könnte man das als die Bergspitzen-Schule bezeichnen.

Es gibt zwei Bereiche der Formschule:

  • Dà Luán Tóu (die großen Bergspitzen): Das Landschafts-Feng-Shui zur Analyse der Umgebung bei Neubauten.
  • Xiǎo Luán Tóu (die kleinen Bergspitzen: Formschule für das Innere des Hauses.

Die Kompass-Schule ist nochmals unterteilt in zwei Richtungen: Sān Hé (drei Harmonien) und Sān Yuán (drei Zeitperioden).

Arbeit mit dem Feng Shui Kompass
Arbeit mit dem Feng Shui Kompass
(Foto: INFIS)

San He arbeitet vor allem mit den äußeren Faktoren der Landschaft in Bezug auf Richtungen und Qualitäten von Bergen, Gewässern und Straßen. Es gibt kaum Formeln, die auch im Innern des Hauses gelten. Hier finden wir die Wasserdrachen-Formeln, für die San He recht bekannt wurde. Aber auch die Beurteilung von Bergen und Hügeln spielt hier eine große Rolle. Diese Schule legt weniger Gewicht auf zeitliche Abläufe, sondern mehr auf die vorhandenen formalen Gegebenheiten. Sie wird im Westen weniger häufig angewendet, weil sie kaum Korrekturen zulässt. Für Großprojekte, Neubauten und Feng-Shui-Gärten ist die San-He-Schule sehr wirksam.

San Yuan legt großen Wert auf Zeitzyklen. So ist keine Energie für immer gleich gut, sondern das Qi wandelt sich im Laufe der Zeit. San Yuan hat den Vorteil, dass es viele Anwendungen im Innern des Hauses gibt. Deshalb wird es im Westen viel häufiger angewendet. Literatur-Tipp: André Pasteur: Feng Shui für Fortgeschrittene, Band 2: Die Fliegenden Sterne Teil 1.

Kan Yu: Das spirituelle Feng Shui

Eine dritte Form des Feng Shui ist Kān Yú. Dies ist spirituelles Feng Shui, das heißt, man arbeitet mit den Energien auf der geistigen Ebene. Hierher gehören Hausreinigungs- und Räucherrituale, die Gebäude von energetischen und spirituellen Belastungen sowie Wesenheiten befreien. Diese Form des Feng Shui wird in Asien meist nicht von Feng Shui Meistern ausgeführt, sondern von Mönchen und Priestern. Sie ist aber mindestens genauso wichtig. Wenn ein Haus auf den geistigen Ebenen belastet ist, wirken die Feng-Shui-Maßnahmen meist nicht so gut. Sie können ihre Wirkung in diesen Fällen nicht richtig entfalten. So ist in manchen Fällen erst eine energetische und spirituelle Klärung des Gebäudes (Space Clearing) notwendig, bevor die anderen Ebenen des Feng Shui eingesetzt werden können. Auch Menschen können von solchen feinstofflichen Belastungen betroffen sein. Hier gilt Ähnliches. Wenn solche Belastungen vorliegen, reagieren die Menschen träge oder gar nicht auf die Feng-Shui-Maßnahmen. Hier sollten zuerst diese Belastungen geklärt werden (Aura Clearing).

Spirituelle Räucher-Zeremonie
Spirituelle Räucher-Zeremonie (Foto: Jean-Etienne Minh-Duy Poirrier)

 

Noch eine Bemerkung zum Namen Kan Yu. Hier wurde dieser Name in einem nicht ganz traditionellen Sinn verwendet. Eigentlich hieß Feng Shui vor dem Buch des Meisters Guo Pu Kan Yu. Damit war jede Form des Feng Shui gemeint, auch die oben erwähnten Form- und Kompass-Schulen. Ich verwende den alten Namen jedoch nur noch im Zusammenhang mit spirituellem Feng Shui. Literatur-Tipp: Georg Huber: Energetische Hausreinigung.

Mischformen

Im Westen etablierte sich vor allem die Lin-Yun-Methode. Sie ist sehr weit verbreitet. Die Mehrzahl der hier arbeitenden Feng-Shui-Beraterinnen und Berater verwenden diese Methode. Doch ab Mitte der 90er Jahre gelangte durch Lehrer wie Roger Green und Raymond Lo, später auch durch Yap Cheng Hai, Joseph Yu, Joey Yap und andere das klassische Feng Shui zu uns. Im Laufe der Zeit entstanden dadurch Mischformen. Manche Schulen unterrichten die Lin-Yun-Methode und legen dann Teile des klassischen Feng Shui darüber.

Literatur-Tipp: Günther Sator: Die verborgene Kraft des Arbeitsplatzes (nur noch antiquarisch).
Lillian Too hat klassisches Feng Shui mit Volks-Feng-Shui verbunden, und lehrt diese Mischform in vielen Kursen und Büchern.
Literatur-Tipp: Lillian Too: Feng Shui Total (nur noch antiquarisch).

Das klassische Feng Shui im Überblick

Berater und Beraterinnen, die im klassischen Feng Shui ausgebildet sind, sollten die Mehrheit dieser Methoden beherrschen.

Klassische Feng Shui Methoden im Überblick
Klassische Feng Shui Methoden im Überblick

 

Beitrag teilen:
Über André Pasteur 2 Artikel
André Pasteur gründete 1996 Infis, das Schweizer Institut für Feng Shui und chinesische Astrologie. Seit dieser Zeit arbeitet er selbständig als Feng Shui Lehrer und Berater. Seine Studien bei mehreren asiatischen Meistern haben ihn zu einem der führenden Experten im deutschsprachigen Raum gemacht. André erreicht ihr unter info@infis.com

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*