Die berühmte Doppelwendel-Treppe in Graz aus geomantischer Sicht

Es gibt nur ganz wenige Zwillingsspindel-Treppen in Europa – und diese ist in ihrer Ausformung einzigartig. Die spektakuläre Anlage in der Grazer Burg wirkt wie eine begehbare Skulptur. Sie blieb uns aus dem Mittelalter erhalten, nachdem sie von einem unbekannten Baumeister errichtet wurde.

Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager

 

Die Burg ist ein Regierungsgebäude in der Grazer Altstadt und liegt in der Hofgasse gegenüber vom Dom und Mausoleum. Der zirka 7,5 Meter hohe Treppenturm mit den kleinen Fenstern, in dem sich das Stiegen-Kunstwerk versteckt, ist leicht zu übersehen. Er wirkt im großen Eingangshof wie ein unscheinbarer Erker und lässt nicht ahnen, was für ein ungewöhnliches Bau-Juwel sich dahinter befindet. Mit welcher Absicht es errichtet wurde, ist nicht überliefert. Es handelt sich jedenfalls um keinen Zweckbau und auch die waghalsige Konstruktion scheint nachrangig zu sein. Im Vordergrund steht das Raumerlebnis für den Menschen, der diesen märchenhaften Turm besteigt. Die Treppe ist relativ schmal – gerade schön für zwei Menschen begehbar, die einander nahe stehen oder zumindest befreundet sind. Gleich hinter der Eingangstür geht es los. Von einem gemeinsamen Podest aus öffnen sich zwei gegenläufige Wendeltreppen, die im Grundriss eine liegende Acht beschreiben und sich gemeinsam in die Höhe schrauben. An den Kreuzungspunkten überschneiden sich die Gehlinien. Man trennt sich und trifft sich wieder und kann auch die Richtung wechseln. Die beiden Treppenläufe verschmelzen zu einem Gesamtkunstwerk.

Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager

 

Wozu denkt man sich so etwas aus? 

Mehrläufige Treppen kennt man hauptsächlich von Prunk-Stiegen und großen Gebäuden, wenn man die Besucherströme gliedern möchte. Warum sonst sollte man zwei Läufe bauen, wenn einer ausreicht? Einige Lebens-Themen, die hier aufgeworfen werden, sind: Welchen von zwei Wegen wähle ich? Wie begegne ich dem anderen, der mir wie ein Spiegelbild entgegen kommt? Ändere ich die Richtung in der Mitte der Achterschleife oder verzichte ich auf diese Chance, die andere Seite kennen zu lernen? Wie neugierig bin ich? Lasse ich mich gerne überraschen? Wie leicht trenne und versöhne ich mich? Wie gerne überlasse ich mich einer Führung ins Unbekannte? Verweilen wir auf dem gemeinsamen Podest oder trennen wir uns gleich wieder?

Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager

 

Wendeltreppen haben normalerweise den Nachteil, dass man sie schlecht gemeinsam begehen kann. Entweder sind sie überhaupt zu schmal oder die Geh-Linien haben verschiedene Radien, wenn man sie nebeneinander besteigt. Hier ist ein gemeinsamer Weg zwar vorgesehen, aber nicht nebeneinander. Um einander wieder begegnen zu können, muss man sich eine Zeit lang trennen. Wie in einer guten Beziehung geht es also um den Wechsel zwischen Selbstverwirklichung und Verbundenheit mit dem Ziel, sich gegenseitig zu einer höheren Entwicklung zu motivieren. Beim Begehen zeigen sich immer nur begrenzte Perspektiven und man kann dem Sog nach oben kaum widerstehen. Die Anlage ist außerdem sehr kommunikativ und erheiternd und – tja – am obersten Podest haben sich viele Paare mit Herz-Gravuren im Mauerwerk verewigt.

Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager

 

Beeindruckende Bau- und Handwerkskunst 

Obwohl die Konstruktion wahrscheinlich nicht das Wichtigste ist, verlangt sie große Aufmerksamkeit und Bewunderung. Die Verwendung von symbolischen und allegorischen Stilmitteln ist typisch für die Gotik. Auch die filigrane Statik, die feingliedrigen Verzierungen, die spitzen Bögen und die Betonung der Vertikalen sind ganz typisch. Die um 1500 fertig gestellte Doppeltreppe besticht durch ihre schwerelose Statik, die ohne Stützen auskommt. Die feinen Spindeln, die sich spiralförmig nach oben schrauben, sind wangenförmig ausgehöhlt und äußerst präzise geformt. Die Stufen sind in das Mauerwerk eingespannt, von ihrem Gewicht ist nichts zu spüren. Interessant ist auch, dass ein Großteil der Burg im 19. Jahrhundert brutal demoliert wurde, nachdem die Bausubstanz baufällig geworden war. Die Treppe jedoch ist bestens erhalten, obwohl sie täglich zugänglich ist und von vielen Touristen besucht wird. Die aus monolithischen Naturstein-Blöcken gefertigten Stufen mit den perfekten Kanten geschwungenen Linien zeugen von einer außergewöhnlichen Steinmetz-Kunst, die heute nicht mehr vorstellbar ist. Wer würde heute noch so viel Zeit und Energie investieren, bloß um eine kleine Erlebnis-Treppe zu bauen, die in einem unauffälligen Turm versteckt ist?

Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Blick vom obersten Fenster auf Dom und Mausoleum, Foto (C) Irmgard Brottrager
Doppelwendeltreppe in Graz, Blick vom obersten Fenster auf Dom und Mausoleum, Foto (C) Irmgard Brottrager

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Dipl.Ing. Arch. Irmgard Brottrager, Ganzheitliche Raum-Gestaltung und Europäisches Fengshui 

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Über Irmgard Brottrager 833 Artikel
Irmgard Brottrager ist Dipl.Ing. für Architektur und Innenarchitektur. Sie beschäftigt sich vorzugsweise mit Themen, die mit dem Menschen und seinem Umfeld zu tun haben. Irmgard erreicht ihr unter i.brottrager@everyday-feng-shui.de

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