Dem Geist des Wassers auf der Spur, Teil 3

Das Wasser ist wesentlicher Bestandteil der Betrachtungen und Interpretationen in Feng Shui und Geomantie. Stefan Brönnle beleuchtet im dritten Teil seines Gastbeitrags die Bedeutung und Eigenschaften von Wasser in der Landschaftsplanung.

Teil 1: Dem Geist des Wassers auf der Spur

Teil 2: Die Lebendigkeit des Wassers, das Maß und der Äther

Teil 3: Fortsetzung von Teil 2

Wasser in der Landschaftsplanung

Wenden wir uns zum Schluss wieder der Natur und Landschaft zu. Wir stellen fest, dass das Wasser an nahezu allen klassischen Naturheiligtümern anwesend ist. Es ist wichtiger Bestandteil eines Mikrokosmos, der von Baum (heiliger Baum/Lebensbaum), Stein (heiliger Fels) und Wasser gebildet wird. Zudem bildet das Wasser in der Landschaft eine Mikrostruktur. Der Architekt Christian Norberg-Schulz hält in seinem Buch “Genius Loci” das Wasser zusammen mit der Vegetation als sogenannte “sekundäre” Landschaftselemente für psychisch viel wirksamer, als die “Grundform” des Reliefs.

Wasser prägt den Volkscharakter: Fischer mit Boot und tiefgründigem Blick
Wasser prägt den Volkscharakter: Fischer mit Boot und tiefgründigem Blick (Foto: Meena Kadri)

Das Wasser stellt ein mobiles, lebendiges Element dar. Es bringt einen “Mikromaßstab” in Gebiete, denen diese Dimension fehlt oder “es verstärkt das Geheimnisvolle bei Landschaften, die bereits diese Mikroebene haben”. Ist das Wasser ein Bach oder Wasserfall, so wirkt die Umgebung selbst mobil. Der Gesamteindruck der Landschaft überträgt sich auf die in ihr lebenden Menschen. So ist zu finden, dass in Gegenden mit viel bewegtem Wasser auch der Volkscharakter selbst viel lebendiger ist. Menschen, die an großen Seen oder gar dem Meer leben, wirken dagegen selbst oft “tiefgründig”.

Auch dies sind Faktoren, die bei der geomantischen Landschaftsplanung zu berücksichtigen sind. Übertrage ich diese Kenntnis auf die Gestaltung, lässt sich mit geringen Mitteln viel erreichen. Einem von Menschen kaum genutzten Platz kann durch die Installation eines Springbrunnens neues Leben gegeben werden. Bald wird sich die Lebendigkeit des Wassers auf die Menschen übertragen, die den Platz nutzen!

Kultische Verehrung einer Fluss-Gottheit
Kultische Verehrung einer Fluss-Gottheit (Foto: Praveen)

Heben wir den Blick noch weiter und überblicken ein Gewässersystem als Ganzes, so erkennen wir, dass ein Fluss zu einem eigenen Wesen mit speziellen Eigenschaften wird. In der Tat ist es so, dass Flüsse große, einheitliche “geistige Systeme” – “Felder höherer Ordnung”, wie sie Rupert Sheldrake nannte – darstellen können. Es ist, als würde den Fluss ein bestimmtes “Thema”, ein “geistiges Prinzip” begleiten, das sich im Kult als Gottheit manifestiert.

Sehen wir uns ein Beispiel an, das Emil Bock bereits 1958 anführte: Neckar und Donau entspringen beide nahe bei einander im Schwarzwald. Während aber der Neckar nach Norden fließt, dessen Richtungsqualität mit geistiger Klarheit und Intellektualität verbunden ist, ist die Donau der einzige große Strom Mitteleuropas, der sich nach Osten orientiert! Der Osten ist die spirituelle Richtung der Welt, weshalb auch die Kirche geostet sind, der aufgehenden Sonne entgegen. Und wirklich ziehen sich diese beiden Themen – die Intellektualität des Neckars und die Spiritualität (bzw. der Mystizismus) der Donau – an den Ufern der beiden Flüsse entlang.

Donauquelle: Die Quelle der Breg wirkt beinahe mystisch
Donauquelle: Die Quelle der Breg fließt Richtung Osten und hat eine beinah mystische Wirkung (Foto: Reisen aus Leidenschaft)

Schon an der Quelle verhält sich die Donau ungewöhnlich, beinahe mystisch. Die beiden Bäche, Brigach und Breg, die den Anfang der Donau bilden, fließen nicht wie all die anderen Bäche dieser Gegend nach Norden oder Süden, sondern nach Osten, wo das Gelände um mehrere hundert Meter ansteigt! Bei Donaueschingen vereinigen sich die beiden Bäche und fließen als Donau weiter auf einem Höhenrücken nach Osten.

Oft sind es nur wenige Höhenmeter, die sie von den Senken trennt, die im Norden zum Neckar, im Süden zum Hochrhein führen. Bis nach Ungarn hinunter ist die Donau der Strom des Barock, und viele an ihr liegende Städte sind aufs engste mit der geistlichen Macht verbunden. In Oberschwaben lagen so auch viele reichsfreie Klöster als Machtzentren. Vorbei am berühmten Kloster Beuron und dem ältesten Kloster Bayerns – Kloster Weltenburg -, fließt die Donau nach Passau, wo sich ab 739 geistliche und weltliche Macht aufs innigste vereinten. In der Wachau ist die Donau mit dem Nibelungenlied verknüpft und viele bedeutungsvolle Städte der Donau sind wie Male einer alten mystischen Zeit.

Brücke über den Neckar in Heidelberg
Brücke über den Neckar in Heidelberg (Foto: Ivano Schiavinato)

Der Neckar hingegen führt mit seiner Intellektualität aus dem Mythos heraus. Die Städte an seinen Ufern waren verbunden mit freiheitlich-modernen Impulsen, es sind die freien Reichsstädte wie Heilbronn, Esslingen oder Rottweil, vor allem aber die großen Universitätsstädte, die Urkeime des Humanismus und der Philosophie: Tübingen und Heidelberg. Daher hat Emil Bock mit Recht den Neckar als protestantischen, die Donau aber als katholischen Strom bezeichnet.
Einen solchen “Geist” des Gewässers zu erspüren und die Art der Stadtgründung danach auszurichten, war mit Bestandteil der historischen Geomantie.

Das Wasser ist in den geomantischen Systemen von Ost und West allgegenwärtig. Es durchdringt den Menschen buchstäblich in jeder Zelle, es umgibt ihn auch in der Natur und schlägt damit gleichsam eine Brücke zwischen Innen und Außen. Deshalb wurden die verschiedensten Ebenen des Wassers – seine physikalischen Eigenschaften und Abstrahlungen, seine symbolisch-mythologischen Bedeutungen, seine Fähigkeit, sich mit dem Ätherischen zu verbinden, u.v.m. – in geomantischen Gestaltungen gerne genutzt. So wird das Wasser zum Kernimpuls der Schöpfung selbst: “Und der Geist Gottes schwebte über den Wassern….”

Stefan Brönnle

Über den Autor

Stefan Brönnle ist ausgebildeter Landschaftsökologe und Geomant. Er vermittelt sein Wissen über Radiästhesie und Geomantie in Vorträgen, Seminaren und Büchern:

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Über Stefan Brönnle 18 Artikel
Stefan Brönnle ist Autor, Berater und Ausbildungsleiter für Geomantie. Von 1993 bis 2006 war er im Vorstand von HAGIA CHORA - Schule für Geomantie. Seit 2006 leitet er sein eigenes Ausbildungsinstitut INANA. Stefan erreicht ihr unter s.broennle@everyday-feng-shui.de

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