Endstation Kohlemine: Chinas Industrielandschaften

China steht vor außerordentlichen Herausforderungen: Der rasante wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahre ging auf Kosten von Mensch und Natur. Am Beispiel chinesischer Kohleminen soll gezeigt werden, wie man vielerorts in China so weit von einem Leben in Harmonie mit der Natur entfernt ist, wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Trotz aller kulturellen Errungenschaften, einer gewaltigen Historie und eines enormen Wirtschaftswachstums, welches das Reich der Mitte inzwischen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hat aufsteigen lassen, sollte eines nicht vergessen werden: Die Menschenrechtssituation und riesige Umweltprobleme gehören noch immer zu den dunkelsten Kapiteln der Erfolgsgeschichte Chinas. Täglich verrichten Millionen Menschen im bevölkerungsreichsten Land der Erde zu Niedrigstlöhnen und unter menschenunwürdigen Bedingungen ihre Arbeit. Auf dem Rücken dieser Menschen wird zu großen Teilen das Wirtschaftswachstum ausgetragen. Zu den ärmsten der Armen, die bei der täglichen Arbeit sogar ihr Leben aufs Spiel setzen, um ihre Familien versorgen zu können, gehören chinesische Bergleute.

Keine Fotomontage: Bergarbeiter mit Kind auf dem Arm am Rande einer chinesischen Kohlemine Keine Fotomontage: Bergarbeiter mit Kind auf dem Arm am Rande einer chinesischen Kohlemine (Bildquelle: honkytonk.fr)

Das ökonomische Wachstum Chinas hat seinen Preis. Es verschlingt gigantische Ressourcen. Um den Energiehunger der chinesischen Wirtschaft zu stillen, nimmt etwa jede Woche ein neues Kohlekraftwerk seinen Betrieb auf. Wie der Name unschwer erraten lässt, brauchen diese Kraftwerke Kohle. Viel Kohle. Der staatlich organisierte Kohlebergbau reicht dabei schon längst nicht mehr aus. Daher werden an Investoren Förderlizenzen vergeben. Diese Investoren beauftragen wiederum private Bergbauunternehmen, welche die Kohlegruben zum größtmöglichen Profit ausbeuten sollen. Die Unternehmen werben daraufhin billige Wanderarbeiter aus den ärmsten Provinzen des Landes an und scheren sich meist einen Dreck um Sicherheitsvorkehrungen unter Tage sowie um Umweltschäden, die der Abbau der Kohle nach sich zieht.

Verseuchte Landschaft: Folge des industriellen Aufschwungs Verseuchte Landschaft: Folge des industriellen Aufschwungs (Bildquelle: honkytonk.fr)

In Kooperation mit Amnesty International und Reporters Without Borders (Reporter ohne Grenzen) haben die französischen Fotografen Samuel Bollendorff und Abel Ségrétin eine eindrucksvolle interaktive Online-Reportage erstellt, die nicht nur das Leben und die gefährliche Arbeit unter Tage dokumentieren, sondern vor allem wach rütteln soll.

Endstation Kohlemine: Jetzt die Online-Reportage starten

Das Besondere an dieser Reportage ist, dass man selbst in die Rolle eines Journalisten schlüpft und wie bei einem Adventure-Spiel das virtuelle Schicksal von verunglückten chinesischen Bergleuten recherchieren kann. Es ist dabei möglich, sich eigenständig durch die Reportage und somit durch Chinas Osten zu bewegen und mit den Arbeitern in den Bergbau-Elendsvierteln zu reden. Jedoch muss man sich hüten vor zu vielen kritischen Fragen, denn sonst landet man schnell auf der örtlichen Polizeistation. Der WDR5, bei dem wir auf die Reportage aufmerksam geworden sind, spricht hier sicher nicht zu Unrecht vom chinesischen Feng Shui der Pressefreiheit: Ein ständig Wechselndes, nicht wirklich zu fassendes Regelwerk, das von jeder lokalen Autorität anders interpretiert wird.

Kohleloren in zerklüfteter Landschaft Kohleloren in zerklüfteter Landschaft (Bildquelle: honkytonk.fr)

Bei aller romantischen Vorstellung, die wir zuweilen vom Mutterland des Feng Shui haben und als Touristen vielleicht sogar bei einer Chinareise kennengelernt haben: China steht vor gewaltigen Herausforderungen. Und dies keinesfalls nur im Hinblick auf die Energieengpässe aufgrund des rasanten Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums, sondern vor allem auch aus ökologischer Sicht. Schon jetzt, so schätzen Umweltverbände, sind etwa zwei Drittel der Ackerflächen Chinas so stark pestizidbelastet, dass sie nicht mehr vom Menschen genutzt werden sollten. Die Ausbeutung der Kohleminen, bei der inoffiziellen Schätzungen zufolge täglich 20 Bergarbeiter verunglücken, hinterlässt riesige Narben in der Landschaft – Anti-Feng-Shui, das noch Jahrzehnte lang Auswirkungen auf die Menschen haben wird, die vor Ort leben.

Es ist so bitter, wie es klingt: Von einem Leben in Harmonie mit der Natur ist man vielerorts in China derzeit so weit entfernt, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Unsere Aufgabe als Europäer muss es daher sein, ökologisch sinnvolle Technologien für die Energiegewinnung und den umweltschonenden Ressourceneinsatz voranzutreiben, sodass eine schnellstmögliche Abkehr von fossilen Brennstoffen möglich wird. Das Klassische Feng Shui kommt aus China. Das „Feng Shui Global“ jedoch aus Europa. Wir müssen China helfen, seine Probleme zu bewältigen, sonst geht es uns bald allen an den Kragen.

Video-Trailer: Journey to the End of Coal

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Über Long Wang 326 Artikel
Meister Long Wang ist seit 2007 Teil des Everyday Feng Shui Redaktionsteams und bereichert seither als Experte für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit seiner fernöstlichen Perspektive auf die Welt unsere Plattform. Zu erreichen ist er unter l.wang@everyday-feng-shui.de

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