In Mertingen Süd soll ein neues Wohngebiet entstehen, das nach geomantischen Kriterien geplant wurde. Trotz großer Nachfrage nach entsprechenden Grundstücksparzellen ist das Bauvorhaben unter Esoterik-Gegnern heftig umstritten. Wir zeigen euch, warum die aktuelle Kritik ungerechtfertigt ist.
Im Süden der Gemeinde Mertingen (Bayern) entsteht auf einem 60.000 Quadratmeter großen Areal ein neues Wohngebiet, welches zukünftig 550 Einwohnern ein neues Zuhause bieten soll. „Mertingen Süd“ ist jedoch nicht irgendein Wohngebiet, denn an der Planung hat neben der Ingenieurgesellschaft Steinbacher-Consult (Neusäß) der Geomant Norbert Mannes entscheidend mitgewirkt. Bereits aus großer Entfernung, besser gesagt: aus der Vogelperspektive, springt einem das ungewöhnliche Planungskonzept ins Auge: Das neue Siedlungsgebiet zeigt die Form einer Lotusblüte.
Der Gemeinderat hatte dem Vorentwurf bereits im Mai 2011 einstimmig zugestimmt. Inzwischen sorgt jedoch das Bauvorhaben bayernweit für Aufsehen. Bürgermeister Albert Lohner bestätigt zwar: „Die Nachfrage ist groß.“ Doch mehren sich auch kritische Stimmen, die den geomantischen Ausführungen zum Bebauungsplan nichts abgewinnen können und dem „esoterischen Charakter“ der Planungen mit großer Skepsis begegnen. Im besagten Vorentwurf heißt es beispielsweise:
„Bei der geomantischen Begehung und Analyse im Projektteam erkannten wir die Präsenz von Nymphen auf dem Grundstück. Daher empfiehlt es sich, das Neubaugebiet in Bauabschnitten zu erschließen, um ausreichende Rückzugsmöglichkeiten für die Naturwesen zu schaffen.“ (Quelle: www.augsburger-allgemeine.de – Nymphen als Nachbarn)
Was sich wie ein Märchen liest, ist im Grunde nichts anderes als eine metaphorische Umschreibung der Wirkaspekte der landschaftlichen Gegebenheiten vor Ort und entsprechender Maßnahmen, diese Wirkaspekte zu erhalten oder zumindest schonend bei der Neugestaltung des Areals zu integrieren. Die Kritiker des Projektes nehmen diese Sätze wörtlich. Dass die „Hinweise auf Nymphen“ nun auch noch mit Hilfe von „Fernpeilung“ und radiästhetischen Methoden wie dem „Wünschelrutengehen“ wahrgenommen wurden, ist zu viel für jeden in den klassischen Naturwissenschaften beheimateten Akademiker.
Naturwissenschaft vs. emotionale Wahrnehmung
An dieser Stelle zeigt sich erneut ein seit Jahren schwelender Konflikt, der sich quer durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht: Während es uns Menschen in den vergangenen Jahrhunderten einerseits gelungen ist, mit Hilfe der Naturwissenschaften einen erstaunlichen technologischen Fortschritt zu erreichen, der zweifelsohne unsere Überlebenschancen auf diesem Planeten bis heute kontinuierlich verbessert hat, haben wir es andererseits nicht vermocht, uns spirituell weiterzuentwickeln und unsere Wahrnehmung zu schulen.
Im Gegenteil: Wir haben in vielen Bereichen aufgehört, im Einklang mit der Natur zu leben und auf Signale aus unserer Umwelt und unserem Inneren zu hören. Es ist schlichtweg nicht mehr nötig gewesen: In der westlichen Welt stirbt heute kaum noch jemand an einer Nahrungsmittelvergiftung, an Erfrierung, an einer Brandkatastrophe oder an anderen Naturwidrigkeiten. Unsere natürlichen „Antennen“ und „Frühwarnsysteme“ sind in vielen Bereichen verkümmert. Doch was eigentlich viel schlimmer ist: Unserer heutigen Sprache fehlen die Worte, um uns über Dinge, die unsere Wahrnehmung und vor allem unsere Gefühlswelt betreffen, angemessen zu verständigen.
Die Akzeptanz der Geomantie: Ein sprachliches Problem?
Anders als in der Wissenschaft, wo sich für viele Sachgebiete spezielle Terminologien entwickelt haben, damit Forschungsergebnisse miteinander vergleichbar werden und Wissenschaftler sich besser austauschen können, fehlen im Bereich der emotionalen Wahrnehmung klar voneinander abgegrenzte Klassifizierungen von Erregungszuständen und eine Kategorisierung der jeweiligen Intensität. Selbst die Emotionsforschung tut sich hier schwer: Die Messung physikalischer Parameter zeigt vielfach von Individuum zu Individuum sehr individuelle Ausprägungen, so dass sich empirisch ermittelte Untersuchungsergebnisse kaum verallgemeinern lassen.
Die Poesie bedient sich hier ganz pragmatisch und kreativ zugleich der Reichhaltigkeit unserer Sprache und versucht mit Umschreibungen und sprachlichen Bildern der Gefühlswelt einer Person Ausdruck zu verleihen. Die Bedeutung dieser mit Worten beschriebenen Gefühlswelten unterliegt jedoch keinem Konsens. Jeder ist selbst angehalten, sich unter entsprechenden Beschreibungen etwas vorzustellen. Die einzige Möglichkeit, die Gefühle einer anderen Person besonders intensiv und in ähnlicher Weise zu erleben, scheint somit darin zu bestehen, mit der betreffenden Person zur selben Zeit am selben Ort zu sein.
Da sich natürliche Landschaften nicht so rasant verändern wie beispielsweise die Verkehrssituation in einer Großstadt, lassen sich entscheidende landschaftliche Wirkaspekte auch in gleicher Weise in Erfahrung bringen, wenn man nicht zur selben Zeit wie eine andere Person vor Ort ist. Ohne den betreffenden Ort jedoch jemals besucht zu haben, wird es jedem Menschen schwer fallen, die Beschreibung der jeweiligen (emotionalen) Wirkung nachzuvollziehen.
Wenn es also bei der Bebauung eines neuen Wohngebietes unter anderem darum gehen soll, den „landschaftlichen Charakter“ des Areals zu erhalten oder ein möglichst schonender Eingriff stattfinden soll, dann müssen auch die relevanten Wirkaspekte, durch welche die Landschaft geprägt ist, im Planungskonzept beschrieben werden. Welchen Methoden sich ein Geomant am Ende bedient, um diese Wirkaspekte „zu erspüren“ und in Erfahrung zu bringen, sind im Rahmen dieser Diskussion völlig unerheblich.
Die Geomantie bemüht sich seit Jahren um eine einheitliche Terminologie für die Beschreibung landschaftlicher Wirkaspekte. Die verwendeten Begrifflichkeiten und sprachlichen Bilder im Vorentwurf des Bebauungsplanes von Mertingen Süd können also durchaus kritisiert und diskutiert werden. Nicht jedoch von vermeintlichen Experten, die sich weder aktuell, noch jemals zuvor, mit landschaftlichen Wirkaspekten, deren sprachlicher Beschreibung und schließlich der geomantischen Bedeutung der Worte auseinandergesetz haben. Die Kritik an der geomantischen Planung von Mertingen Süd wird sogar noch unverständlicher, wenn sie von Leuten ausgeht, die niemals selbst vor Ort gewesen sind.
Fazit:
Während im Spätmittelalter die Aristoteles-Keule geschwungen wurde, um mit der Autorität der aristotelischen Naturlehre neues Wissen zu unterdrücken, schwingt die heutige Wissenschaft die Esoterik-Keule, um Geomantie-Experten zu erniedrigen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Die aktuelle Debatte um die geomantische Planung des neuen Wohngebiets Mertingen Süd ist nicht nur unangemessen, sondern schlichtweg unsachlich.
Vielleicht sollten die Kritiker ja mit dem Friedhofsamt in Wien Kontakt aufnehmen. Dort gibt es eine Abteilung, die den geomantischen Teil des Zentralfriedhofes miteingerichtet und geplant hat.
Im übrigen hat hoffentlich schon mal jedeR die Erfahrung gemacht, dass es Orte gibt, an denen wir uns wohl und geborgen fühlen. Andererseits kennen wir auch Plätze, wo es uns unwohl ist. Unwohl nicht im Sinne, dass uns da jemand anschreit oder mit gezückter Waffe vor uns steht, da würden wir uns vermutlich überall unwohl fühlen ;-) sondern….ja denk mal nach….
Hallo Herr Kullmann,
danke für Ihren ausgezeichneten Einwand. Genau darum muss es gehen!
Im Rahmen der aktuellen Diskussion um Mertingen Süd wäre es meiner Ansicht nach jedoch etwas vermessen, den Kritikern auch noch „Unfähigkeit im Umgang mit der eigenen Gefühlswelt“ vorzuwerfen. Auch wenn es vermutlich wahr ist… Aber so etwas kann man ja lernen ;)
Was mich nur besonders aufregt, ist, dass sich wieder einmal über die „bösen Esoteriker“ echauffiert wird ohne zu differentieren. Und es werden Sätze aus dem Zusammenhang gerissen, wobei nicht einmal der Versuch unternommen wird, in die Bedeutungsebene des Zitierten vorzudringen.
Das wäre genauso, als würde ich behaupten, was an der New Yorker Wallstreet passiert, ist totaler Blödsinn, denn einen Bullen, geschweige denn einen Bären, habe ich dort noch nie gesehen.
Genauso geht die Begründung der Kritik völlig am Thema vorbei: „Geomantie ist Blödsinn, weil wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass Wünschelrutengehen und Pendeln nicht funktionieren“ (sinngemäß). Genau. Und Emotionen sind Blödsinn, weil wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden kann, wie sie funktionieren (…). Letzteres bitte ironisch verstehen.
Grüße aus Berlin
Long Wang
„…Ohne den betreffenden Ort jedoch jemals besucht zu haben, wird es jedem Menschen schwer fallen, die Beschreibung der jeweiligen (emotionalen) Wirkung nachzuvollziehen…“
Wenn wir den Ort der emotionalen Wirkung „in uns selbst“ jemals besucht und erforscht haben…erst dann können wir auch einen (emotionalen) Ort im Aussen wahrnehmen und verstehen. Das ist auch ein Problem der „emotionalen“ Ebenen der Verständigung in unseren Beziehungen.
Um genau aber dieser Öffnung geht es im Moment, in 2012 und den kommenden Jahren.