Freie Energie: Meeresströmung und Gezeiten-Kraftwerke

Sie stellen eine besondere Art von Wasserkraftwerken dar und können nur an relativ wenigen Standorten realisiert werden. Auch wenn es sich um eine „Nischenproduktion“ handelt, sind bereits hunderte Anlagen erfolgreich im Einsatz.

Foto (C) James Mann / flickr CC BY 2.0
Foto (C) James Mann / flickr CC BY 2.0

Was sind Gezeiten?

Durch die Gezeiten entstehen die Strömungsbewegungen der Meere. Für Mitteleuropäer, die relativ selten an einem Meer sind, sind Ebbe und Flut nichts Alltägliches. Wie kommen die Wellenbewegungen und unterschiedlichen Wasserspiegel zustande? Heftige Flutwellen können mehrere Meter hoch werden und haben eine entsprechende Energie, die man nutzen kann. Der Meeresspiegel verändert sich durch die unterschiedliche Anziehungskraft von Sonne und Mond, während sich die Erde um die Sonne dreht. Für das Ausmaß der Wellengänge spielen auch noch andere Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel der Wind, die geographische Lage und die Ausformung der Küste. In engen Buchten und vor steilen Felsen ist der Anstieg des Wassers deutlich höher als in flachen und weiten Küstenregionen. Die Höhendifferenz zwischen Ebbe und Flut nennt man Tidenhub oder Hubhöhe. Sie beträgt in der Regel zwischen einem und zwei Metern. Man spricht auch von Niedrigwasser und Hochwasser.

Die Schwankungen des Meeresspiegels erfolgen zwar zyklisch, aber nicht in gleichen Abständen. Je nachdem, wie Sonne und Mond zueinander stehen, verstärken sich die Kräfte gegenseitig oder sie heben einander teilweise auf. Je geringer der Abstand zwischen Erde und Mond ist, umso stärker wirkt die Massenanziehung des Mondes. Die Wassermenge bleibt insgesamt gleich, nimmt aber auf verschiedenen Seiten des Erdballs unterschiedliche Höhen an.

Wie funktioniert ein Gezeitenkraftwerk?

Als Standorte sind Buchten und Flussmündungen am besten geeignet. Die an- und abschwellenden Wassermassen werden zuerst in Rotationsenergie und dann in Strom umgewandelt. Durch die Nutzung der Gezeiten-Energie kommt es zu einer geringfügigen Abbremsung der Erddrehung. Denn die Energie kommt nicht nur von der Anziehungskraft des Mondes und der Sonne auf die Erde, sondern auch von der Erddrehung.

Bauweisen

Man unterscheidet grundsätzlich zwei verschiedene Bauarten.

1) Staudämme und Deich-Anlagen in Meeresbuchten, wo ein besonders hoher Tidenhub vorhanden ist. Die Wasserturbinen sind hier in den Deich oder die Staumauer eingebaut. Sie werden bei Flut vom einströmenden Wasser und bei Ebbe vom ausströmenden Wasser betrieben.

2) Seaflow- oder Strömungskraftwerke bestehen aus kräftigen Unterwasser-Masten, die am Meeresboden verankert sind. Diese sind mit flexiblen Rotoren bestückt, die sich mal in die eine Richtung und mal in die andere drehen. Insgesamt sehen sie wie moderne Windräder aus, die nicht mit Luft, sondern mit Wasser angetrieben werden. Da nur ein kleiner Teil aus dem Wasser ragt, sind diese Anlagen wenig auffällig.

Die meisten Gezeitenkraftwerke werden mit so genannten Kaplan-Turbinen betrieben, die einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent erreichen.

Vor- und Nachteile

Der Anlagenbau ist relativ aufwändig und die Effizienz nicht immer gegeben. Sie sind nicht überall realisierbar und können daher nur einen Teil des Strombedarfs abdecken. Für bestimmte Küstenregionen, wo die Meeresströmung stark genug ist, sind Seaflow-Kraftwerke eine vielversprechende Lösung. Und wer sagt denn, dass die Energie überall auf dem Planeten auf die gleiche Weise gewonnen werden muss? Je regionaler und dezentraler die Energiegewinnung erfolgt, umso autonomer sind die Gemeinden.

Im Gegensatz zu Solar- und Windkraftwerken fließt der Strom aus dem Meer zuverlässiger und kontinuierlicher. Das leidige Problem mit der Überproduktion zur falschen Zeit ist hier kein großes Thema. Da der Mond seine Position ständig ändert, ändert sich allerdings auch das Auftreten von Ebbe und Flut und die Strömung an einem festgelegten Ort ist daher nicht immer gleich stark. Es entstehen keine Abgase, aber für die tierischen Meeresbewohner im Küstenbereich besteht Lebensgefahr. An den schnell rotierenden Turbinenflügeln können sich Fische genauso verletzten wie Vögel an oberirdischen Windrädern.

Was sich Ökostrom, Erneuerbare Energie oder Freie Energie nennt, ist nicht automatisch preisgünstig. Auch wenn die Energiequelle umsonst und andauernd fließt, entstehen Kosten, die sich rechnen müssen. Bei Gezeitenkraftwerken sind die Betriebskosten eher gering, aber die Anschaffungskosten umso höher.

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Über Irmgard Brottrager 833 Artikel
Irmgard Brottrager ist Dipl.Ing. für Architektur und Innenarchitektur. Sie beschäftigt sich vorzugsweise mit Themen, die mit dem Menschen und seinem Umfeld zu tun haben. Irmgard erreicht ihr unter i.brottrager@everyday-feng-shui.de

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