Minimalismus liegt voll im Trend. LOVOS-Bewegung ist eine neue Bezeichnung für „simplify your life“, wo es um Einsparungen und Vereinfachungen geht, um das Leben letztlich in volleren Zügen genießen zu können.
Sie ist eine Gegenbewegung zum herrschenden Mainstream-Mangeldenken, wo man sich ständig unzulänglich fühlt und glaubt, noch mehr haben und erreichen zu müssen, um mit den ebenfalls wetteifernden Kollegen mithalten zu können. Wer die angesagten Prestige-Güter nicht vorzeigen kann, wird abgewertet, ausgegrenzt und als erfolglos abgestempelt. Minimalismus ist in allen Bereichen möglich, nicht nur beim Wohnen. Es gibt ja so vieles, was man sich ersparen kann, ohne irgendwas zu verlieren! Die Konsum- und Medien-Einschränkungen erfolgen nicht aus einer Notlage heraus, sondern vollkommen freiwillig, aus ethischen, gesundheitlichen, ökologischen, energetischen, ästhetischen oder finanziellen Gründen. Das Leben kann auf diese Weise viel müheloser und einfacher werden.
Die Vorstellungen darüber, was Minimalismus ist, sind sehr unterschiedlich. Manche verstehen einfach eine einigermaßen aufgeräumte und entrümpelte Wohnung darunter. Andere möchten auf alles verzichten, was nicht zum Überleben notwendig ist. Manche glauben, man könne Minimalismus an der Zahl der Besitzgegenstände festmachen. Andere denken bei diesem Begriff vor allem an ästhetische Qualitäten ohne Schnörkel und Firlefanz. Auf Konsum zu verzichten und bei den größenwahnsinnigen Wachstums-Wettrennen nicht mehr mitzumachen, bedeutet auf jeden Fall, dass man einen Grundpfeiler des kapitalistischen Wirtschaftssystems in Frage stellt. Wenn keiner sich mehr verausgaben würde, würde das System kollabieren. Und nicht selten reagiert das System mit Zwangsgebühren und erhöhtem Abzock-Druck, wenn die Konsumenten sich zu sehr zurückhalten. Dies ist jedoch nicht der einzige „Nachteil“, wenn man so will, denn welchen Sinn macht es, bis zum letzten Schnaufer im Hamsterrad mitzulaufen, nur damit ein widernatürliches Geldsystem am Leben bleibt?
Abspecken ist nicht nur im materiellen Bereich möglich, sondern auch im geistigen. Geistige Minimalisten entscheiden sich für Entspannung statt Reizüberflutung, Muße statt Stress, Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft statt Konkurrenzdenken, Achtsamkeit und Wertschätzung statt Ablenkung und Zerstreuung, Sein und Wissen statt Schein und Haben.
„Wer gebildeter ist, konsumiert weniger.“
(KenFM in einem Youtube-Video im Gespräch mit: Dennis Hack)
Pro, Vorteile und Chancen:
- Je mehr Minimalismus, umso mehr Freiheit und umso weniger Bindungen.
- Überfluss ist anstrengend und vermindert die Lebensqualität. Man vergeudet keine Zeit mehr mit Arbeiten, Einkaufen, Aufräumen und Putzen.
- Die Umwelt kann aufatmen. In der Natur gibt es kein grenzenloses Wachstum, sondern begrenzte Kreisläufe.
- Man ist flexibler, kann sich leichter trennen und auf Reisen gehen.
- Es wird Raum geschaffen für Neuerungen und Veränderungen. In der Natur gibt es keine Brache, die lange kahl bleibt. Das Leben wird interessanter und abwechslungsreicher.
- Der geklärte Raum erleichtert die Ausrichtung auf das Wesentliche und vor allem auf sich selbst.
- Reduktion ist der billigere Weg, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn der Wettstreit um die größere Kosum-Sucht führt mit Sicherheit zu finanziellen Verlusten. Besser ist es natürlich, wenn man gar nicht mehr auffallen möchte und die Bestätigung der Mitmenschen nicht braucht.
- Es bildet sich ein neues Wertbewusstsein, unabhängig von Besitztümern. Die schönsten Erfahrungen im Leben sind kostenlos und nicht von Gegenständen abhängig.
- Weitgehende Unabhängigkeit vom Geld- und Finanzsystem. Wer weniger konsumiert, ist weniger manipulierbar und muss nicht so viel arbeiten, um über die Runden zu kommen.
- Bedingungsloses Glück, dass weder von Besitztümern noch von Bezugspersonen und deren Anerkennung abhängig ist.
Contra, Gefahren und Nachteile:
- Man sollte es nicht übertreiben, denn die Natur ist großzügig und nimmt es nicht so genau.
- Das Sparefroh-Denken darf nicht in Fanatismus oder Geiz ausarten.
- Der Minimalismus kann teuer werden, wenn man Gegenstände weggibt, die man später wieder braucht und daher neu anschaffen muss.
- Zu viele selbstauferlegte Einschränkungen können das Leben eng und klein machen.
- Es sind keine Reserven vorhanden für Ausnahme-Situationen.
- Die Kreativität wird eingeschränkt, wenn alles völlig reduziert und perfekt ist.
- Ein minimalistischer Stil setzt voraus, dass man sich klar entscheiden kann und unpassende Gegenstände disziplinziert zurückweist. Man muss genau wissen, wann es genug ist und wann weniger mehr ist.
- Es gibt Menschen, die sich in relativ leeren Räumen nicht wohl fühlen.
- Wer den allgegenwärtigen Konsum und das Konkurrenzdenken ablehnt, muss damit rechnen, dass er aneckt. Denn die lieben Mitmenschen, die ihren Wert über Prestige definieren, können mit Konsum-Verweigerern wenig anfangen. Bei Einladungen und gemeinsamen Unternehmungen kann es zu Konflikten kommen. Es ist für materialistische Angeber, die bewundert werden wollen, nicht leicht zu ertragen, mit minimalistischen Wertmaßstäben gemessen zu werden.
- Das Mehr an Zeit, Platz und Geld ist nur was für Leute, die etwas damit anzufangen wissen. Viele Menschen haben Angst, etwas wegzugeben. Angst vor leeren Räumen, vor fehlenden Ablenkungen und ausbleibender Anerkennung.
*
*
Irmgard Brottrager, Dipl.Ing. für Architektur und Innenarchitektur,
Ganzheitliche Raum-Gestaltung und Europäisches Fengshui
*
*
Hinterlasse jetzt einen Kommentar