Aufmerksamkeitsdefizit: Energie folgt der Aufmerksamkeit

Die Überschrift ist ein Hilfsausdruck, weil es für das Phänomen, um das es in diesem Artikel geht, keine Bezeichnung gibt. Man könnte auch von Energieraub sprechen, aber das ist zu weit gegriffen.

Straßenspektakel, Foto: Stadt Linz / flickr CC BY 2.0
Straßenspektakel, Foto: Stadt Linz / flickr CC BY 2.0

Aufmerksamkeit ist essentiell

Jeder Mensch braucht Aufmerksamkeit, Zuwendung, Achtsamkeit und freut sich über zugeneigte Ohren. Kinder führen oft die verrücktesten Inszenierungen auf, nur um beachtet und gelobt zu werden. Jugendliche sind unendlich kreativ, nur um aufzufallen und zu provozieren. Frauen denken stundenlang darüber nach, wie sie sich stylen könnten, um herauszustechen und auf keinen Fall übersehen zu werden. Männer drehen an den Gashebeln ihrer Kraftfahrzeuge, pfeifen und grölen, um Gehör zu finden. Ältere Menschen benutzen Krankheiten und diverse Dramen, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Selbstverständlich will auch die Werbung nichts anderes als Aufmerksamkeit. Die diversen Kammern, Krankenkassen, Energieversorger und sonstigen „Obrigkeiten“ begnügen sich auch nicht mit ihrem stillen Dasein, sondern verschicken Journaillen, um das Fußvolk bei der Stange zu halten. Die Energie der Aufmerksamkeit ist offenbar überlebenswichtig. Das Problem dabei ist nur, dass leicht ein Ungleichgewicht entsteht, wenn das Interesse nicht auf Gegenseitigkeit beruht.

Energie folgt der Aufmerksamkeit

Dieses Prinzip ist eines der wichtigsten bei Feng-Shui-Analysen und das mächtigste Werkzeug für alle Menschen, die ihr Leben ganz bewusst gestalten möchten. Wir werden zu dem, womit wir uns beschäftigen. Wir haben einen freien Willen und daher die freie Wahl, womit wir uns beschäftigen wollen. Da wir in der Vergangenheit oft genötigt wurden, uns auf Lehrstoffe, Dinge und Menschen zu konzentrieren, die wir uns nicht ausgesucht haben, ist uns diese Wahlfreiheit oft gar nicht bewusst. Wir überlassen es dem Zufall, wer unsere Aufmerksamkeit bekommt und achten selten darauf, ob es unseren Zielen dienlich ist, wenn wir uns ablenken lassen oder uns mit Leuten umgeben, die uns weder guttun noch weiterbringen. Wenn man diese ganzen Zufallsbegegnungen in den Griff bekommen möchte, muss man lernen, sich abzugrenzen und seine Aufmerksamkeit zu steuern. Wenn wir das nicht lernen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn am Ende nichts Besonders aus uns geworden ist und wir ungefähr dem Durchschnitt der durch den Zeitgeist geprägten Generation entsprechen. Wir haben uns formen lassen statt unser Leben bewusst zu formen.

Wenn das Verlangen von Aufmerksamkeit zur Belästigung wird

Sicherlich hat jeder Mensch das Recht, für sich zu werben, um Aufmerksamkeit zu generieren. Aber nicht jedes Mittel ist in Ordnung. Maßnahmen wie Handgreiflichkeiten, Abpassen, In den Weg stellen, Nachlaufen, Stalking und Erregung von öffentlichen Ärgernissen sind eindeutig kriminell. An manchen Orten sind auch das Herumliegen auf dem Boden und organisiertes Betteln verboten. Vor Supermarkt-Eingängen und Postämtern kommt man an aufdringlichen Bettlern nicht vorbei. Man muss sich ansprechen lassen und meistens wird auch ein Arm, ein Flugzettel oder eine Zeitschrift in den Weg gehalten, so dass man beim Weitergehen behindert wird und einen Bogen machen muss. Wenn man keine Beachtung verschenkt, wird man ausgepfiffen oder beschimpft. Hier ist offenbar jemand der Meinung, dass er das Recht hat, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, und dass er sich beschweren darf, wenn dieses Bedürfnis nicht erfüllt wird.

Einsamer Straßenmusiker, Foto: abbilder / flickr CC BY 2.0
Einsamer Straßenmusiker, Foto: abbilder / flickr CC BY 2.0

Ständig will jemand was

Wenn man in der Stadt unterwegs ist, können einem die vielen Versuche, Aufmerksamkeit zu erheischen, schnell zu viel werden. Überall stehen Gaukler und Marktschreier herum. Es sind Unmengen von Hausierern unterwegs, die die Postkästen mit Werbemüll verstopfen oder sogar frech Einlass begehren. Dazu kommen noch die vielen „Marktforscher“, die telefonisch ins Wohnzimmer vordringen, um Daten zu sammeln. An den Supermarktkassen genügt es nicht, schnell die Rechnungen zu bezahlen, sondern man muss auch noch Fragen beantworten und Zusatzwerbung ertragen. Wie viele Ablenkungen muss sich ein Mensch gefallen lassen? Man hört es vor lauter Geltungsdrang ja gar nicht mehr, wenn ein Mitmensch wirklich bedürftig ist und Hilfe braucht. Außerdem ist es kaum möglich, bei sich zu bleiben und ungestört durch die Straßen zu gehen.

Wie viel Aufmerksamkeit ist genug?

Warum brauchen manche Menschen so viel Aufmerksamkeit, während andere mit einem Minimum auskommen und sich gerne zurückziehen? Ein normaler Erwachsener sollte über seine gewöhnlichen Kontakte hinaus kein Bedürfnis haben, sich zu produzieren, um Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wenn zwei Menschen ehrlich aneinander interessiert sind, ist es kaum möglich, ein Übermaß an Achtsamkeit zu verschenken. Andererseits ist jede Form von Bedrängung oder gar Nötigung ein Übergriff, wenn ein Mensch Achtsamkeit möchte, während der andere sich entschieden hat, diese nicht zu gewähren. Attraktive Menschen haben eigentlich keinen Grund, sich besonders um Aufmerksamkeit zu bemühen, wenn sie werden sowieso beachtet. Wenn jemand übergriffig, provokant oder aufdringlich wird, um gesehen zu werden, ist das ein Zeichen, dass eine Beziehungsstörung vorliegt. Die einfachste Form, Aufmerksamkeit zu gewinnen, ist, sich ganz bewusst auf ausgesuchte Menschen einzulassen und echte Freundschaften aufzubauen. In der Regel ist das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ungefähr gleich groß wie die fehlende Bereitschaft, sich ehrlich für andere Menschen zu interessieren.

Beitrag teilen:
Über Irmgard Brottrager 833 Artikel
Irmgard Brottrager ist Dipl.Ing. für Architektur und Innenarchitektur. Sie beschäftigt sich vorzugsweise mit Themen, die mit dem Menschen und seinem Umfeld zu tun haben. Irmgard erreicht ihr unter i.brottrager@everyday-feng-shui.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*