Feng Shui – gibt es die richtigen Maße?

Kennen Sie den Feng-Shui-Zollstock? Haben Sie von Feng-Shui-Maßen für Gebäude oder Möbel gehört? Wahrscheinlich ja, denn der Mythos der günstigen Abmessungen hält sich hartnäckig seit vielen Jahren. So ganz verkehrt ist der Gedanke, es gäbe bestimmte Maße die vorteilhafter sind als andere, nicht. Was jedoch die wenigsten wissen, wenn man den Feng-Shui-Maßstäben auf den Grund geht, dann landet man wieder bei den uns so gut bekannten Proportionen des A4-Blattes. Sind Sie überrascht?

Ob mit modernen Geräten oder alten Linealen, auf der ganzen Welt wird mit nur einem Maßstab gemessen. Foto: CC-0 Public Domain via pixabay.com
Ob mit modernen Geräten oder alten Linealen, auf der ganzen Welt wird mit nur einem Maßstab gemessen.
Foto: CC-0 Public Domain via pixabay.com

 

Die Proportion ist entscheidend

Wenn wir heute in Deutschland ein Lineal benutzen, dann sind wir es gewohnt in Millimetern, Zentimetern oder Metern zu messen. Zeichnet ein Engländer oder ein Amerikaner einen Plan, dann nutzt er Fuß und Zoll, die mit unserem System nur sehr „krumm“ verwandt sind (1 Zoll = 2,54 cm). Die unterschiedlichen Maßeinheiten haben sich über Jahrhunderte unter dem Einfluss kultureller, politischer und sozialer Hintergründe entwickelt.

Ihren Ursprung nahmen sie in der Elle, einem der ältesten Naturmaße. Volkstümlich ist damit die Länge des Unterarms gemeint. Tatsächlich handelt sich bei einer Elle um den Abstand zwischen Ellenbogen und Mittelfingerspitze. Je nach Region, Statur der Menschen und Zeitraum, kann die Länge der Elle erheblich variieren. So maß zum Beispiel die „Ravensburger Elle“ 0,881m,während die „Freiburger Elle“ nur 0,54m lang war. Hätte man damals nach Plänen aus Ravensburg ein Haus in Freiburg bauen wollen, dann stünde man vor einem größeren Problem. Doch es gab einen Weg, stabil und fürs Auge harmonisch zu bauen. Man nutzte das Prinzip der Proportionen, genauer gesagt den „Goldenen Schnitt“, den ich in einem früheren Beitrag bereits erläutert habe.

In Anlehnung an den „Goldenen Schnitt“ wurden die DIN-Proportionen entwickelt, womit wir wieder bei unserem A4-Blatt gelandet wären. Bei den DIN-genormten Papierformaten stehen die Seiten des Blattes immer im Verhältnis 1:√2, was in etwa 1:1,41 bedeutet.

In China wurde mit unterschiedlichem Maß gemessen.

Auch in China gab es eine Art „Elle“ die „Li“ genannt wurde. Li diente als Einheit beim Vermessen des Landes. Ein Li bestand aus 300 bu (Schritt), ein bu setzte sich aus 6 chi (Fuß) zusammen. Und genau hier lag das Problem. Die Längen der chi schwankten von Dynastie zu Dynastie erheblich. Vielleicht hatten die jeweiligen Kaiser einfach unterschiedliche Fußgrößen? Fakt ist, auf Basis der Längenmaße wurden auch die sogenannten Feng-Shui-Lineale kreiert. Sie hatten jedoch, je nach Dynastie, aus der sie stammen, unterschiedliche Längen. Deshalb wurden auch hier Abschnitte bzw. Proportionen verwendet, um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Die Lineale wurden zuerst in zwei Hauptabschnitte, dann in vier Unterabschnitte und anschließend in weitere vier Abschnitte unterteilt (2x4x4). Ein Lineal hatte dann 32 bzw. 4×8 Abschnitte. Mit der Zahl 8 könnte man sofort die Trigramme assoziieren, doch die Bezeichnungen der Abschnitte deuten nicht darauf hin. Sie heißen: Reichtum, Krankheit, Trennung, Feierlichkeit, Beamter, Verlust, Verletzung und Glück. Woher die Begriffe stammen und ob sie von den Trigrammen abgeleitet wurden, das ist bis heute ungeklärt geblieben.

Spannend ist jedoch, dass die Anzahl der 32 Abschnitte auch als 2x2x2x2x2 dargestellt werden kann. Hierzu drängt dich förmlich folgende Assoziation auf: Yin und Yang = 2 Polaritäten, die sich insgesamt verfünffacht in den Fünf Wandlungsphasen manifestieren. Will man die Zahl 2, die für untrennbares Yin/Yang steht, in sich „zerlegt“, dann ergibt sich die √2 und damit die Zahl 1,41.

Eine weitere interessante Abhandlung zu dem Thema finden Sie in einem Beitrag von Derek Walters, einem bekannten Feng Shui Experten, unter folgendem Link zum Nachlesen: http://www.geomantie.net/article/read/5167.html?highlight%5B%5D=derek&highlight%5B%5D=walters

Alle Wege führen nach Rom

Die bekannte Redewendung bringt die dargestellten Zusammenhänge auf den Punkt: Es wird mit nur einem Maßstab gemessen. Wenn man die unterschiedlichen Maß-Systeme von ihren kulturellen, geografischen und sozialen Schichten befreit, dann wird der gemeinsame Kern sichtbar.

Alte Feng-Shui-Lineale auf unser metrisches System umrechnen zu wollen, kann nur verkehrt sein, weil die Gemeinsamkeit nicht in der tatsächlich gemessenen Länge, sondern in der Aufteilung in proportionale Abschnitte liegt.

Deshalb, lassen Sie den Feng-Shui-Zollstock getrost in der Schublade liegen. Ein Meterband ist besser als sein (Feng-Shui)-Ruf.

Mit gemessenen Grüßen
Hedwig Seipel
www.9-sternlein.de

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Über Hedwig Seipel 112 Artikel
Hedwig Seipel wandelte 1998 ihr Leben um und machte ihr Hobby - die asiatische Lebensphilosophie - zum Beruf. Nach fundierten Ausbildungen im Feng Shui, Geomantie, Coaching und Training gründete sie eine eigene Praxis. Sie ist Sachbuchautorin, Dozentin, Seminarleiterin und Beraterin.

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