Bionik: Intelligentes Bauen nach den Prinzipien der Natur

Ein sogenanntes Smart Home bietet seinen Bewohnern Komfort und sorgt obendrein für einen möglichst effizienten Einsatz von Ressourcen. Zu diesem Zweck werden alle technischen Geräte im Haus vernetzt und per Computer gesteuert. Das Beispiel vom internetfähigen Kühlschrank verdeutlicht das Prinzip. Ein Smart Home ist aber auch ganz ohne Computertechnik möglich: Die Natur zeigt, wie es geht.

Musterbeispiel bionischer Architektur? Bird's Nest - Beijing National Stadium
Musterbeispiel bionischer Architektur? Bird’s Nest – Beijing National Stadium (Foto: Long Zheng)

Baubionik heißt der Wissenschaftszweig, der sich mit diesem Thema befasst. Es geht darum, Ideen aus der Natur zu erkennen und auf die Bautechnik zu übertragen. Was der Mensch mit viel Know-how aus verschiedenen Fachbereichen wie Architektur und Mechanik sowie unter Einsatz komplizierter Computertechnik mühsam hinbekommt, ist in der Natur seit Jahrtausenden Alltag. Blüten öffnen und schließen sich je nach Witterung, Bäume passen ihren Wuchs der Umwelt an, manche Pflanzen lassen nicht ein Staubkorn auf ihrer Oberfläche landen. Diese biologischen Funktionsweisen wollen Wissenschaftler nun verstärkt nutzen. Denn erst die heute zur Verfügung stehende Computertechnik macht es möglich, die berühmten Vorbilder aus der Natur tatsächlich im großen Stil für den Hausbau anzuwenden.

Belüftung wie beim Kiefernzapfen

HygroSkin: Natürliches Belüftungssystem für Gebäude
HygroSkin: Natürliches Belüftungssystem für Gebäude (Bildquelle: uni-stuttgart.de)

Eindrucksvolle Beispiele aus der Baubionik entstehen unter anderem in Stuttgart. An der dortigen Universität konstruieren Wissenschaftler und Studenten jedes Jahr einen Pavillon, der eine Funktionsweise aus der Natur zum Vorbild hat. Der atmende Pavillon namens HygroSkin ist inzwischen in einer Kunsthalle in Orléans zu bewundern. Der Holzbau verfügt über eine selbsttätige Belüftungsanlage, die ohne Energiezufuhr oder gar Elektronik arbeitet. Vorbild für den Forschungspavillon war ein gewöhnlicher Kiefernzapfen. Er öffnet seine Schuppen, sobald es trocken ist. Steigt dagegen die Luftfeuchtigkeit, schließt sich der Zapfen, um so die Samen vor der Witterung zu schützen. Den Stuttgarter Forschern der Baubionik gelang es, einen Holzverbundstoff herzustellen, der ähnlich wie der Zapfen auf Luftfeuchtigkeit reagiert. So öffnen und schließen sich die Fenster des atmenden Pavillons je nach Witterung.

Technischer Pflanzenhalm ersetzt Stahlträger

Für die Stuttgarter waren auch schon der Panzer des Hummers und das Skelett des Seeigels Vorbilder für neuartige Bauwerke. So entstanden eine besonders leichte sowie eine ausgesprochen materialsparende Konstruktion. Auch an anderen Hochschulen wird in der Baubionik geforscht. Wissenschaftler der Universität Freiburg entwickelten zusammen mit einem Textilforschungsinstitut den „Technischen Pflanzenhalm“. Vorbilder für den Halm aus recycelbaren Kunststofffasern waren der Schachtelhalm und das Pfahlrohr. So entstand ein hohles, besonders leichtes, aber extrem stabiles Gebilde, das künftig anstelle von Stahlstützen und –trägern eingesetzt werden könnte. So werden enorme Gewichtseinsparungen möglich, die besonders für den Hochhausbau, aber auch bei allen anderen Konstruktionen interessant sind.

Baubionik überwindet alte Grenzen

Die Baubionik kann dazu beitragen, dass wir unsere Häuser künftig mit natürlichen Materialien besonders sparsam und energieeffizient bauen können. Das Potenzial der noch jungen Wissenschaft ist groß. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft steckt in den kommenden vier Jahren fast zehn Millionen Euro in die interdisziplinäre Forschung zur Bionik. Mehrere Universitäten und Institutionen sind an dem Projekt beteiligt. Das selbst gesteckte Ziel: „Multifunktionale, anpassungsfähige und gleichzeitig ökologisch effiziente Strukturen, die die Grenzen herkömmlicher Baukonstruktionen weit hinter sich lassen“, so Professor Jan Knippers von der Universität Stuttgart. Maschinen, Elektronik, Energie und sogar viele mechanische Bauteile sind überflüssig, wenn das in der Baubionik entwickelte Material die gewünschten Funktionen übernimmt. So ist es ja vielleicht tatsächlich bald möglich, ein intelligentes, sparsames Haus ganz ohne Vernetzung und Internet-Kühlschrank zu bauen. Ein Haus, in dem nicht die vom Menschen erdachte neueste Technik den Ton angibt, sondern die aus der Natur übernommenen, in Millionen Jahren entwickelten Funktionsweisen.

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Über Astrid Albrecht-Sierleja 152 Artikel
Astrid Albrecht-Sierleja verfügt als langjährige Malerin und Lackiererin über ausgesprochen praxisorientiertes Wissen und kennt als Produkt-Designerin die Vielfalt gestalterischer Möglichkeiten im Wohn- und Arbeitsbereich. Astrid erreicht ihr unter a.albrecht@everyday-feng-shui.de

2 Kommentare

  1. das Bird´s Nest hat absolut nichts mit Bionik zutun. Es ist nur rein äußerlich einem Vogelnest nachgeahmt und ist ein ganz einfacher Stahlbau ohne besondere Konstruktion

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