Es ist ein Phänomen, das wir meistens nur von anderen kennen: Selbstüberschätzung. Tatsächlich scheint das Vorhandensein eines unrealistischen Selbstbildes aber weit verbreitet zu sein. Sind von dem Phänomen der Selbstüberschätzung also doch nicht nur die anderen, sondern manchmal auch wir selbst betroffen?
Eine breit angelegte Metastudie aus den USA legt genau diesen Schluss nahe. Die Forscher nahmen sich die Daten verschiedener Untersuchungen vor und stellten fest, dass die meisten Menschen bei der Selbsteinschätzung offenbar ziemlich daneben liegen. Jedenfalls öffneten sich regelmäßig große Scheren zwischen der Selbst- und Fremdbeurteilung der eigenen Fähigkeiten. Diese Diskrepanzen zeigten sich bei Lehrern und ihren Schülern ebenso wie bei Sportlern und ihren Trainern oder bei Musikern und ihren Lehrern.
Zwar handelt es sich bei den Fehleinschätzungen nicht immer um eine zu positive Bewertung des eigenen Könnens. Viele Menschen bewerten ihre Fertigkeiten im Gegenteil zu niedrig. Doch auch die zweite Variante der verzerrten Selbstwahrnehmung ist wenig hilfreich für die persönliche Entwicklung. Möglicherweise ist es für das Umfeld weniger störend, wenn sich jemand zu gering einschätzt. Wer mit seinen vermeintlichen Leistungen oder seinem angeblichen Können prahlt, fällt eher negativ auf. Doch ein chronisches Unterbewerten der eigenen Fähigkeiten geht auf lange Sicht zulasten der Lebensqualität.
Feedback ist besonders wichtig
Dabei ist den meisten Menschen gar nicht klar, dass sie mit einem unrealistischen Selbstbild umgehen, haben die Psychologen festgestellt. Leider hilft in vielen Fällen offenbar auch kein dezenter Hinweis von außen. Hier greift wahrscheinlich der Mechanismus, dass man nur hört, was man auch hören möchte. Lob wird gern angenommen, Kritik gar nicht wahrgenommen. Außerdem tut sich das Umfeld oft genug aus Höflichkeit oder anderen Gründen schwer, ehrliche Worte zu finden. Die offensichtliche Selbstüberschätzung wird also gar nicht erst angesprochen.
Die Reaktionen aus dem Umfeld könnten aber entscheidend dafür sein, der eigenen Fehleinschätzung auf die Spur zu kommen. Das legen jedenfalls die Ergebnisse der Untersuchung nahe. Wie sich zeigte, liegen die Menschen mit ihren Selbsteinschätzungen in den verschiedensten Bereichen tendenziell falsch. Für einen einzigen Bereich sehen die Ergebnisse anders aus: Geht es um die eigene Sprachkompetenz, schätzen sich die meisten Menschen offenbar recht realistisch ein. Für die Forscher legt das den Schluss nahe, dass permanentes Feedback für ein genaueres Urteil über die eigenen Leistungen sorgt. Denn bei den sprachlichen Fertigkeiten gibt es kaum Bewertungsspielraum. Hier geht es darum, vom Gegenüber verstanden zu werden. Kommt meine Nachricht nicht an, habe ich mich offensichtlich schlecht ausgedrückt.
Um zu einem möglichst ehrlichen Selbstbild zu kommen, sollte man demnach nicht nur aufmerksam in sich hineinschauen. Es empfiehlt sich, immer auch empfänglich für Reaktionen von außen auf das eigene Verhalten zu bleiben.
Quelle:
www.sueddeutsche.de – Selbstüberschätzung: Wir sind alle Helden
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