Loblied auf die Faulheit

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ohne Fleiß kein Preis. Jeder kennt die Sprichwörter, die den Fleiß loben und die Faulheit verdammen. In jüngster Zeit las ich allerdings mit Erstaunen mehrfach Plädoyers für die Faulheit.

Frau Holle: Wer hat sich nicht in seiner Kindheit mit der fleißigen Goldmarie identifiziert?
Frau Holle: Wer hat sich nicht in seiner Kindheit mit der fleißigen Goldmarie identifiziert? (Bildquelle: komoedie-kassel.de)

Wie es sich mit der Faulheit und dem Fleiß verhält, weiß jedes Kind, das das Märchen von Frau Holle kennt. Da gibt es Gold als Lohn für unermüdlichen Fleiß und Pech als Strafe für grenzenlose Faulheit. Es ist völlig klar, mit wem man sich identifiziert. Vor einiger Zeit saß ich mit meinen Töchtern im Kindertheater. Es gab Frau Holle. Am Schluss herrschte Einigkeit darüber, dass die Goldmarie hübscher war und auch freundlicher als die Pechmarie. Während der Aufführung aber gab es durchaus Verständnis für das faule Mädchen, das lieber länger im Bett liegen blieb als früh die Daunen zu schütteln.

Erholung von der Arbeit

Tief in uns schlummert vielleicht doch der Wunsch nach echter Faulheit. Dabei ist Faulsein nicht zu verwechseln mit dem Nichtstun. Letzteres ist das Erholen von der Arbeit, um wieder fit zu sein fürs Fleißigsein. Entsprechend ist der Urlaub hierzulande gesetzlich verankert: als Erholung zum Erhalt der Arbeitskraft. Nicht etwa zum nichtsnutzigen Faulenzen.

Nichtstun ist noch lange keine Faulheit, sondern dient uns als Erholung von der Arbeit Nichtstun ist noch lange keine Faulheit, sondern dient uns als Erholung von der Arbeit (Foto: Paul Stocker)

Fleiß ist gut, Faulheit ist schlecht, so wird es seit jeher vermittelt. Nur das Geld, das durch eigene, harte Arbeit verdient wurde, gilt als gerechtfertigt. Andersrum ist nach vorherrschendem Verständnis jede Leistung ohne Gegenleistung ungerechtfertigt. Faul und reich – das geht im richtigen Leben so wenig zusammen wie im Märchen von Frau Holle.

Die Beine hochlegen

Früher war wenigstens das zeitweise Faulenzen noch gesellschaftsfähig. Mein Großvater kam nachmittags nach Hause, legte sich ohne Umschweife aufs Sofa, ließ sich von der Tochter die Decke über die Beine legen und hielt diese Position für volle zwei Stunden ein. Wer heutzutage aus dem Büro kommt, geht ins Fitnessstudio, trainiert für den Marathon, joggt um den See oder arbeitet auf sonstige Weise weiter. Das kann als Versuch der Erholung von der Arbeit durchgehen, Faulheit ist das jedenfalls nicht.

Es gibt übrigens auch alte Sprichwörter, die die Faulheit loben. Sie sind seltener und auch weniger bekannt als die Sprüche, die den Fleiß preisen. So heißt es: „Faulheit ist die Mutter des Fortschritts.“ Immerhin erleichtern viele große Erfindungen das Leben ungemein. Die Bequemlichkeit dürfte also Antrieb für manche fortschrittliche Erfindung gewesen sein. Faulheit braucht Denkleistung, und so lautet ein anderes Sprichwort: „Faulheit denkt scharf.“

Auch mit Fleiß lässt sich sicherlich einiges erreichen. Ob es aber so wie im Märchen von Frau Holle funktioniert, dass der bedingungslose Fleiß zum reichen Lohn führt, dürfte bezweifelt werden. Wieso hängen wir dann immer noch der alten Devise an, dass Fleiß gut und Faulheit schlecht ist?

Zu wenig Schlaf

Diese Grundhaltung könnte sogar gesundheitliche Probleme fördern. Die Daten zum allgemeinen Schlafverhalten sind alarmierend. So schliefen die Amerikaner Anfang des 20. Jahrhunderts durchschnittlich zehn Stunden pro Nacht. Gegen Ende des Jahrhunderts waren es noch acht Stunden. Heute sind es nur sechseinhalb Stunden. Hierzulande schlafen die Menschen immerhin fast sieben Stunden in der Nacht. Den meisten reicht das aber gar nicht.

Aber mal ehrlich: Wer kann sich heute überhaupt zehn Stunden Schlaf „leisten“? Das ist gesellschaftlich nicht anerkannt. Wach sein, aktiv sein, etwas leisten oder zumindest etwas erledigen, das ist die Devise. Schließlich bliebe die Arbeit während eines langen Nachtschlafs liegen. Oder? Ich denke, angesichts solcher Gedanken kann ab und zu ein kleines Loblied auf die Faulheit nicht schaden.

Quellen:

www.brandeins.de – Mehr Faulheit wagen!
www.zeit.de – Sagen Sie alle Termine ab!

Beitrag teilen:
Über Susanne Raven 116 Artikel
Susanne ist freie Autorin und als Feng Shui Enthusiastin seit 2007 Betreiberin von Everyday Feng Shui. Die gelernte Logopädin hat sich zum Ziel gesetzt, traditionelles Feng Shui im deutschsprachigen Raum populärer zu machen. Susanne erreicht ihr unter info@everyday-feng-shui.de

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*